Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod
mit ihm zu arbeiten.«
»Nicht mit ihm, sondern für ihn«, erwiderte Emerson mit finsterer Miene. »Ich habe nichts gegen Amerikaner, nicht einmal gegen reiche, kunstliebende Amerikaner, aber ich arbeite nicht für jemand anderen. Hol’s der Teufel, du hast zu viele alte Freunde, Peabody.«
Meine berühmte Intuition versagte in diesem Fall. Kein unheilverkündender Schauder durchlief meinen Körper. »Ich hoffe, du hast keine Zweifel, was Mr. Vandergelts Absichten anbelangt, Emerson.«
»Du meinst, ich sei eifersüchtig? Meine Liebe, dieser unwürdigen Regung habe ich schon lange abgeschworen. Du hast mich überzeugt – so wie auch ich dich hoffentlich überzeugt habe –, daß es niemals den geringsten Anlaß dafür geben könnte. Lang verheiratete Paare wie wir, Peabody, haben die Strudel jugendlicher Leidenschaft hinter sich gelassen und sind in die ruhigen Gewässer der ehelichen Zuneigung eingelaufen.«
»Hmm«, sagte ich.
»Ehrlich gesagt«, fuhr Emerson fort, »überlege ich mir schon seit einiger Zeit, daß wir unsere Vorgehensweise überdenken sollten, zwar nicht die für dieses Jahr, aber für die Zukunft. Die Archäologie verändert sich, Peabody. Petrie hüpft immer noch herum wie ein Gummiball und nimmt jedes Jahr einen neuen Ausgrabungsort in Angriff …«
»Das haben wir auch gemacht.«
»Ja, aber meiner Meinung nach werden unsere Resultate immer spärlicher. Sieh dir nur einmal Petries Ausgrabungsberichte an. Sie sind …« Einzugestehen, daß sein bedeutendster Rivale auch über beachtliche Fähigkeiten verfügte, schnürte Emerson fast die Stimme ab, aber schließlich preßte er es doch heraus. »Sie sind – äh – nicht schlecht. Gar nicht schlecht. Allerdings schafft er innerhalb einer Saison nicht mehr, als oberflächlich herumzubuddeln, und wenn die Denkmäler erst einmal entdeckt sind, sind sie so gut wie verloren.«
»Ich stimme dir zu, Emerson. Was schlägst du vor?«
»Stört es dich, wenn ich rauche?« Ohne meine Antwort abzuwarten, holte er Pfeife und Tabakbeutel hervor. »Ich schlage vor, daß wir uns auf eine einzige Grabungsstätte beschränken, und zwar nicht pro Saison, sondern so lange, bis wir alles gefunden haben, was es zu finden gibt, und alles peinlich genau aufgezeichnet haben. Wir werden natürlich eine größere Mannschaft brauchen – Experten für die immer komplizierter werdenden Grabungstechniken, Photographen, Zeichner, einen Epigraphen für die Aufzeichnung und den Vergleich der Schriften, einen Anatomen zur Untersuchung der Knochen, außerdem Studenten, die die Arbeiter beaufsichtigen und dabei etwas über die Grabungsmethoden lernen können. Wir sollten sogar überlegen, ob wir nicht ein festes Gebäude errichten lassen, in das wir jedes Jahr zurückkehren könnten.« Er ließ eine große Rauchwolke aus seinem Mund und fügte hinzu: »Dann müßten wir nicht in diesem verfluchten Hotel wohnen.«
Im ersten Augenblick wußte ich nicht, was ich darauf sagen sollte. Der Vorschlag kam so unerwartet und eröffnete eine derartige Vielzahl von Möglichkeiten, daß es mir schwerfiel, sie alle auf Anhieb zu erfassen. »Nun«, sagte ich und atmete tief durch, »der Vorschlag ist so unerwartet, daß ich nicht weiß, was ich darauf sagen soll.«
Selbstverständlich rechnete ich damit, daß Emerson eine spöttische Bemerkung über meine Sprachlosigkeit machen würde, aber er biß nicht an. »Unerwartet, vielleicht, doch hoffentlich nicht unwillkommen. Du hast dich zwar nie beschwert, meine Liebe, aber die Aufgaben und Herausforderungen, denen du die Stirn geboten hast, hätten eine Frau von geringerem Format verzagen lassen. Es ist an der Zeit, daß du Hilfe – Beistand – Unterstützung bekommst.«
»Ich nehme an, du meinst durch eine Frau? Eine Sekretärin wäre sicherlich von Nutzen …«
»Komm schon, Peabody, ich hätte nicht gedacht, daß du so engstirnig bist. Wir könnten sicherlich jemanden gebrauchen, der sich engagiert um die Aufzeichnungen kümmert, aber warum muß es eine Frau sein? Und warum nehmen wir dann nicht gleich Studentinnen, Grabungsleiterinnen und Wissenschaftlerinnen?«
»Warum eigentlich nicht?« Er hatte mein heimliches Anliegen angesprochen, das Vorwärtskommen meiner so unterschätzten Geschlechtsgenossinnen ist mir schon immer wichtig gewesen. Schließlich, überlegte ich, hatte ich nie mit mehr als einem Jahr uneingeschränkten Glücks gerechnet. Nicht einmal darauf hatte ich gehofft. Ich wollte die Gegenwart genießen und nicht
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