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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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befinden, sonst hätte der Besitzer des Anwesens nicht solche Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Die wiedererweckte Hoffnung ließ mir die Kräfte schwinden; Abdullah stöhnte schmerzerfüllt auf, als mein Gewicht ihm schwer auf die Hände drückte. Ich wollte schon ganz hinaufklettern, denn der Freudentaumel hatte einen Augenblick lang über die Klugheit gesiegt, als mich ein ernüchternder Gedanke zurückhielt: Etwas so Wertvolles würde doch sicherlich nicht unbewacht sein? Ich hatte nur zwei Seiten des Gebäudes in meinem Blickfeld, in denen sich keine Fenster befanden. Aber es mußte doch in einer der Wände, die ich nicht sehen konnte, eine Tür geben.
    Ich gab Abdullah ein Zeichen, mich herabzulassen. Wie ich glaube, war er froh darüber. Er schwitzte heftig, und das nicht nur wegen meines Gewichts; die Spannung zerrte ihm genauso an den Nerven wie mir.
    Rasch beschrieb ich ihm, was ich gesehen hatte. »Wir müssen davon ausgehen, daß es einen Wächter gibt«, flüsterte ich. »Kannst du dich so lautlos bewegen wie ein Schatten, Abdullah?«
    Der alte Mann griff in den Ausschnitt seines Gewandes.
    »Ich kümmere mich um den Wächter, Sitt.«
    »Nein, nein! Nicht, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Er könnte schreien und dadurch andere herbeirufen. Wir müssen aufs Dach klettern. Dort oben muß irgendeine Öffnung sein …«
    »Ich werde als erster gehen«, sagte Abdullah, die Hand immer noch unter seinem Gewand.
    Dieses Mal widersprach ich nicht.
    Die abendliche Brise hatte eingesetzt, schüttelte das Rohr hin und her und ließ die Blätter rauschen. Diese leisen Geräusche mischten sich mit denen, die wir einfach nicht vermeiden konnten; sie waren aber kaum zu hören. Denn trotz seiner Größe huschte Abdullah wie der Schatten, von dem ich gesprochen hatte, die Mauer hinauf und darüber hinweg. Als ich oben angelangt war, wartete er bereits auf der anderen Seite, um mir hinabzuhelfen; ohne innezuhalten, schlichen wir auf das Gebäude zu. Es war niedrig – ein Zwinger für einen Hund oder ein anderes Tier. Abdullah hob mich hoch und folgte mir dann auf das Dach.
    Es gab tatsächlich einen Wächter. Obwohl wir uns fast lautlos bewegt hatten, muß irgend etwas seine Aufmerksamkeit erregt haben. Ich hörte eine leise Stimme und das Rascheln eines Gewandes, als er sich erhob, und dann das sanfte Tappen von bloßen Füßen. Wir legten uns flach hinter die niedrige Brüstung und hielten den Atem an. Er ging einmal um das Gebäude herum, doch eher, um der Pflicht genüge zu tun, und blickte auch nicht nach oben; das tun Menschen selten, wenn sie etwas suchen. Schließlich setzte er sich wieder und zündete sich eine Zigarette an. Der Rauch stieg in einer dünnen, grauen Spirale hoch und verschwand schlängelnd in der Brise. Erst jetzt wagten wir, zu der Öffnung zu kriechen. Sie war mit einem rostigen Gitter verschlossen, dessen Stäbe so eng beieinanderstanden, daß man kaum einen Finger dazwischen stecken konnte.
    Ich habe meine Empfindungen nicht beschrieben, und ich will es auch gar nicht versuchen. Nicht einmal dem größten Schriftsteller aller Zeiten würde es gelingen, sie in ihrer Heftigkeit einzufangen. Ich preßte mein Gesicht gegen die rostigen Gitterstäbe.
    Das Innere des Gebäudes lag nicht völlig im Dunkeln. Es gab noch eine zweite Öffnung, einen engen Spalt über der Tür, die der Wand gegenüberlag, die wir hochgeklettert waren. Durch diesen Spalt drang genügend Licht, so daß ich das Innere des stinkenden Lochs unter mir sehen konnte. Die Wände waren kahl und fensterlos, der Boden bestand aus gestampfter Erde. Es gab keinen Teppich, nur ein flaches, rechteckiges Etwas, das eine Matte sein konnte. Das Mobiliar bestand aus einem Tisch, auf dem einige Krüge und Töpfe und andere Gegenstände standen, die ich nicht erkennen konnte, einer einzigen Sitzgelegenheit – erstaunlich deplaziert in dieser Umgebung, denn es handelte sich um einen bequemen, mit rotem Plüsch gepolsterten Armsessel europäischen Stils, und ein niedriges Bett. Auf diesem lag regungslos ein Mann.
    Abdullahs Gesicht war dem meinen so nahe, daß ich seinen Atem an meiner Wange spüren konnte. Da sandte die untergehende Sonne einen goldenen Strahl durch den Spalt über der Tür und erhellte das Innere. Ich hätte kein Licht gebraucht, um ihn er erkennen. Ich hätte seine Gestalt selbst in der finstersten Nacht erkannt und seine Gegenwart gespürt. Doch hätte ich noch Atem in meinen Lungen gehabt, hätte ich es nicht vermocht,

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