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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Übertreibung als »Liebe« bezeichnen können, wäre dieses Wort nicht durch den europäischen Hang zum Romantisieren verdorben worden. Mir war jedoch nicht bewußt geworden, daß Abdullah auf seine Art auch mich liebte. Unendlich gerührt, antwortete ich im gleichen Ton.
    »Mein Vater, ich danke dir und segne dich. Doch was sollen wir tun? Er steht unter Drogen oder ist krank; er kann sich nicht bewegen. Ich hatte damit gerechnet, daß er uns durch seine Körperkraft helfen kann.«
    »Ich fürchtete schon, daß wir ihn so vorfinden würden«, erwiderte Abdullah. »Man kettet den Löwen nicht an, ohne ihm die Krallen abzuschneiden, und sperrt den Falken nicht in den Käfig, ohne …«
    »Abdullah, ich liebe und ehre dich wie einen Vater, doch wenn du nicht sofort auf den Punkt kommst, schreie ich los.«
    Das bärtige Gesicht des alten Mannes verzog sich zu einem Lächeln. »Die Sitt ist wieder ganz sie selbst. Wir müssen schnell handeln, ehe die Wächter zurückkehren. Meine Männer warten an der Kreuzung.«
    »Welche Männer?«
    »Daoud und die Söhne und Enkel meiner Onkel. Sie haben alle viele Söhne«, fügte Abdullah stolz hinzu. »Die Sonne geht unter; die Dämmerung ist eine gute Zeit für den Angriff.«
    Es kam mir nicht eine Sekunde lang in den Sinn, Einwände gegen dieses gefährliche und rechtswidrige Vorhaben zu erheben, doch als er mich am Ärmel zog, widersetzte ich mich.
    »Ich kann ihn nicht verlassen, Abdullah. Sie bringen ihn womöglich weg oder töten ihn, wenn man sie angreift.«
    »Aber Sitt, Emerson wird mir bei lebendigem Leib das Herz herausreißen, wenn dir …«
    »Aber dazu muß er am Leben sein. Beeil’ dich, Abdullah. Und – gibt acht, mein teurer Freund.«
    Einen Augenblick lang hielt er meine Hand, dann war er fort. Ich drehte mich herum, um ihm nachzublicken, und sah, daß er ebenso lautlos über die Mauer verschwand, wie er gekommen war.
    Natürlich beabsichtigte ich nicht, auf dem Dach zu bleiben. Normalerweise hätte meine Kraft nicht gereicht, um das Gitter hochzustemmen; zum Glück war das bereits erledigt. Das schwere Metallteil ruhte nun mit einer Seite auf dem Rand der Öffnung; ich mußte es nur noch beiseite schieben. Die Öffnung war, wie ich schätzte, gerade groß genug, um mich durchzulassen. Sie mußte genügen, denn ich wollte hinein, ganz gleich wie.
    Noch ehe ich mein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, hörte ich die Männer zurückkommen. Sie unterhielten sich nun ein wenig gedämpfter, und einen Augenblick später war eine dritte Stimme zu vernehmen. Sie sprach Arabisch, doch an dem Akzent und an dem Befehlston erkannte ich, daß der Sprecher kein Einheimischer war. Vor Angst – um meinen Mann, nicht um mich selbst – und Wut war jede Sehne in meinem Körper gespannt. Er war da – der Entführer, der unbekannte Schurke, der für diese Schandtat verantwortlich war.
    Die Männer blieben vor der Tür stehen, und ich zögerte; ich hatte das Gitter mit den Händen gepackt, den Schmerz in meinen blutenden Fingern spürte ich kaum. Ich durfte nicht überstürzt handeln. Sie hatten ja noch keinerlei Grund zu vermuten, daß Emersons Befreiung unmittelbar bevorstand.
    Dann wechselte der Sprecher ins Englische: »Warte hier, bis ich dich rufe. Ich will, daß er hellwach und bei Verstand ist, wenn er dich sieht.«
    Zu meinem Erstaunen war es die Stimme einer Frau, die in derselben Sprache antwortete: »Und ich sage dir, so leicht läßt er sich nicht täuschen. Er wird merken, daß ich nicht …«
    »Das, meine Liebe, ist der springende Punkt bei dieser Übung – herauszufinden, ob er wirklich sein Gedächtnis verloren hat. In diesem Kostüm und in der Düsternis, dazu noch mit einem Knebel im Mund, der deine untere Gesichtshälfte verdeckt, siehst du ihr ähnlich genug, um einen liebenden Gatten zu täuschen – zumindest lange genug, um ihm einen verräterischen Aufschrei zu entlocken. Das wird mir sagen, was ich wissen will. Und falls er dich tatsächlich für sie hält, habe ich endlich auch das Mittel, um ihn zu überreden, mir alles zu verraten.«
    Das unverständliche Gemurmel der Frau quittierte der Anführer mit höhnischem Lachen. »Die Drohung allein wird genügen, glaube ich. Und wenn nicht – nun, meine Liebe, ich werde dir nicht mehr Schaden zufügen als unbedingt nötig.«
    Alle heftigen Gefühle, die ich in den Tagen des Wartens unterdrückt hatte, stiegen in mir hoch; dazu überkam mich brennende Neugier. Ich ahnte bereits, was der Schurke vorhatte,

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