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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Lippen und gab unterdrückte Ausrufe von sich, die von seiner Entrüstung zeugten. »Jetzt aber halblang, Doktor, ich muß mich gegen Ihre Ausdrucksweise in Gegenwart von Mrs. Emerson verwahren – und auch gegen Ihre Angriffe auf das männliche Geschlecht. Wir sind nicht alle – äh – rasende Bestien. Sie haben doch ›rasend‹ gesagt, oder?«
    »Rasend und lüstern«, antwortete Schadenfreude vergnügt. »Ja, ja, das ist die Natur des Mannes. Einige von uns unterdrücken diese wahre Natur mit Erfolg, mein Freund, aber aufgepaßt! Je größer die Selbstbeherrschung, desto mehr Druck staut sich auf, und wenn die Mauer irgendwo einen Riß hat – bum!«
    Cyrus fuhr zusammen. »Jetzt machen Sie mal einen Punkt, Doc …«
    »Beruhigen Sie sich, Cyrus«, drängte ich. »Der Herr Doktor ist nicht unhöflich, sondern Wissenschaftler. Ich fühle mich nicht beleidigt, und seine Diagnose leuchtet mir ein. Um ihr eigenes Bild (ein ziemlich eingängiges) zu benutzen, Doktor: Wie drängen wir die Bestie wieder hinter die Mauer zurück und mit welchem Gips kitten wir den Riß wieder zu?«
    Schadenfreude lächelte mir anerkennend zu. »Sie besitzen eine fast männliche Direktheit, Frau Emerson. Die Vorgehensweise liegt auf der Hand. Man kann keine rohe Gewalt gegen rohe Gewalt anwenden. Der daraus resultierende Kampf könnte für beide Seiten zum Tode führen.«
    »So eingängig das Bild auch sein mag, ich würde doch einen praktisch umzusetzenden Ratschlag vorziehen«, sagte ich. »Was soll ich tun. Würde Hypnose …«
    Schadenfreude drohte mir scherzhaft mit dem Finger. »Aha, Frau Emerson! Sie haben offenbar die Werke meiner phantasiebegabteren Kollegen gelesen. Breuer und Freud haben recht, wenn sie feststellen, daß die wirkende Kraft einer Vorstellung, die nicht abreagiert werden kann, indem sie in Sprache oder Tat ihren Ausdruck findet, noch einmal durchlebt – in anderen Worten auf ihren Urzustand zurückgeführt – werden muß. Aber Hypnose ist nur ein Taschenspielertrick, der mehr Schaden als Nutzen bringt, da er die vorgefaßte Meinung des Hypnotiseurs mit psychischen Abläufen beim Patienten verwechselt.«
    Ich glaube, ich habe den allgemeinen Sinn seines Vortrages korrekt wiedergegeben. An diesem Punkt mußte er – nicht weiter überraschend – eine Atempause einlegen, und als er weitersprach, wurde er konkreter.
    »Das Gedächtnis ist wie eine hübsche Blume, gnädige Frau; sie ist nicht gleich in voller Pracht da, sondern muß langsam und natürlich aus einem Samen wachsen. Der Same liegt in seinem Gehirn. Kehren Sie mit ihm an die Orte zurück, von denen er noch weiß. Zwingen Sie ihn nicht, sich zu erinnern. Beharren Sie nicht auf Tatsachen, die er im Grunde seines Herzens für unwahr halten muß. Das wäre in seinem Fall verhängnisvoll, denn wenn ich ihn richtig einschätze, gehört er zu der Sorte Männer, die stets genau das Gegenteil dessen tun, was man ihnen sagt.«
    »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen«, stimmte Cyrus zu.
    »Aber Ihre Ratschläge sind immer noch so allgemein«, klagte ich. »Wollen Sie damit sagen, daß wir ihn zurück nach Amarna bringen sollen?«
    »Nein, nein! Sie bringen ihn nirgendwo hin. Er bestimmt, wohin er will, und Sie begleiten ihn. Amarna hat er immer wieder erwähnt. Eine archäologische Ausgrabungsstätte, richtig?«
    »Es handelt sich in etwa um die abgelegenste, verlassenste Ausgrabungsstätte in ganz Ägypten«, meinte Cyrus langsam. »Ich glaube, das wäre keine besonders kluge Idee, weil … aus verschiedenen Gründen.«
    Der Arzt faltete die zarten Hände über seinem runden Bauch und lächelte uns selbstzufrieden an. »Sie haben keine Wahl, mein Freund Vandergelt. Sie könnten ihn nur einsperren, was gegen das Gesetz verstößt. Sonst bleibt Ihnen lediglich noch, ihn entmündigen zu lassen. Doch kein anerkannter Arzt würde diese Papiere unterschreiben. Ich würde es nicht tun. Er ist nicht verwirrt. Er ist nicht im juristischen Sinne geisteskrank. Falls es darum geht, daß es dort – in Amarna – keinen Arzt gibt, seinen Sie unbesorgt. Körperlich ist er über den Berg, und er wird bald wieder völlig genesen sein. Es besteht nicht die Gefahr eines Rückfalls.«
    Es bestand aber eine Gefahr, wenn auch nicht eines Rückfalls, von der Art, wie der gute Doktor gemeint hatte. Nachdem er fort war, brach es aus Cyrus heraus: »Ich bin schwer enttäuscht von Schadenfreude. Diese beleidigenden Theorien …, daß ich eine rasende Bestie bin, hat er mir noch

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