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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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sie ihm treu ergeben waren und – wie er es bezeichnete – auch in einer Prügelei ihren Mann stehen würden.
    Erst nachdem Emerson zu Ende gegessen hatte – mit gutem Appetit, wie ich erfreut feststellte –, ergriff er wieder das Wort. Er warf seine Serviette auf den Tisch, erhob sich und blickte mich finster an. »Kommen Sie, Miss – äh
    – Peabody. Es ist an der Zeit, daß wir ein wenig plaudern.«
    Ich folgte ihm und lächelte dabei in mich hinein. Falls Emerson meinte, er könne mich bei einem Fehler erwischen oder einschüchtern wie die beiden armen jungen Männer, so stand ihm ein heilsamer Schock bevor. Der Leser mag überrascht sein, daß ich mich mit solcher Ruhe in eine Situation fügte, die eigentlich bei mir die stärksten Gefühle von Qual und Niedergeschlagenheit hatte hervorrufen müssen. Es ist stets meine Art gewesen, angesichts widriger Umstände Fassung zu bewahren;
    Tränen und Hysterie sind mir wesensfremd. Nie würde ich das große Lob vergessen, das Emerson selbst mir gezollt hatte: »Ich liebe dich unter anderem deshalb, weil du eher geneigt bist, jemandem deinen Sonnenschirm über den Schädel zu schlagen, als dich wie andere Frauen heulend aufs Bett zu werfen.«
    Ich hatte meine Nacht der Tränen bereits hinter mir – nicht in einem bequemen Bett, sondern auf dem harten Boden des Badezimmers im »Schloß«, zusammengekauert in einer Ecke wie ein geprügelter Hund. Sicherlich durchlebte ich noch weitere Augenblicke des Schmerzes und der Verzweiflung. Doch welchen Sinn hätte es, sie hier zu schildern? Keiner war so schwerwiegend wie jener erste hemmungslose Ausbruch. In dieser schrecklichen Nacht hatte ich mich von solch nutzlosen Empfindungen befreit. Nun war jede Faser meines Körpers, jede Sehne, jeder Gedanke auf ein einziges Ziel gerichtet. Es war, als hätte ich mich gezwungen, dieselben Jahre zu vergessen, die Emerson vergessen hatte – um in meinem Kopf in die Vergangenheit zurückzukehren. Hierin folgte ich den Vorschriften von Dr. Schadenfreude. »Bei Ihnen«, hatte er zu mir am Abend unserer Abreise gesagt, »bei Ihnen, Frau Emerson, liegt der Kern des Problems. Mein ursprünglicher Eindruck hat sich durch das bestätigt, was ich seither beobachtet habe. Seine Erinnerung flieht vor den Fesseln des Ehestandes. Allem anderen ist er zugänglich; er nimmt relativ gleichmütig an, was man ihm sagt. Nur bei diesem einen Thema bleibt er verstockt. Folgen Sie ihm in die Vergangenheit. Betrachten Sie ihn wieder ebenso gleichgültig wie früher. Handeln Sie dementsprechend. Und dann … handeln Sie so, wie es die Situation erfordert.«
    Traurigerweise war Cyrus’ Begeisterung über Dr. Schadenfreude beträchtlich gesunken, seit dieser bemerkenswerte Gentleman seine Ansichten über die Ehe und die verwerflichen Gewohnheiten des männlichen Geschlechts kundgetan hatte. Wie die meisten Männer war Cyrus ein heimlicher Romantiker und hoffnungslos naiv, was Menschen anging. Frauen sind da realistischer, und ich – das glaube ich sagen zu können, ohne Widerspruch befürchten zu müssen – habe eine besonders ausgeprägte realistische Einstellung. Die Ratschläge des Arztes kamen bestimmten Wesenszügen von mir entgegen. Ich genieße die Herausforderung; je schwieriger die Aufgabe ist, um so mehr brenne ich darauf, die Ärmel hochzukrempeln und mich an die Arbeit zu machen. Ich hatte Emersons Herz schon einmal erobert, und das trotz beträchtlicher Hindernisse, denn er war ein überzeugter Frauenfeind gewesen, und ich bin und war keine Schönheit. Wenn das geistige Band zwischen uns, ein Band, das die Grenzen der Zeit und des Fleisches überstieg, so stark war, wie ich glaubte, würde ich ihn zurückgewinnen können. Doch wenn das Band nur in meiner Vorstellung existierte … Diesen Fall konnte und wollte ich gar nicht erst in Erwägung ziehen.
    Mit bebenden Gliedern und wachem Verstand folgte ich ihm in den Salon, der auch als Bibliothek und Cyrus als Arbeitszimmer diente. Es war eine Symphonie in Scharlachrot und Beige, mit goldenen Akzenten. Selbst der Flügel war vergoldet – einer von Cyrus’ wenigen transatlantischen Geschmacksverirrungen. Emerson ließ sich in einen Armsessel fallen und holte seine Pfeife hervor. Während er damit herumhantierte, nahm ich ein Manuskript vom Tisch. Es war das hübsche Märchen, das ich in Kairo gelesen hatte; ich hatte es wieder zur Hand genommen, um mich abzulenken.
    »Nun bin vermutlich ich an der Reihe, geprüft zu werden«, sagte ich

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