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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Augenblick zu sein, ihn daran zu erinnern, daß seine Flucht weder geschickt noch Ergebnis seiner eigenen Bemühungen gewesen war. Ich schluckte meine Empörung hinunter und schwieg. Emerson fuhr nachdenklich fort: »Ich könnte ihn schnappen, glaube ich, doch ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, daß er sich weiterhin in meine beruflichen Angelegenheiten mischt. Wenn er etwas von mir will, wird er mich verfolgen. Ja, das wird das beste sein. Ich führe meine Arbeit fort, und wenn der Kerl auftaucht, knöpfe ich ihn mir vor.«
    Ich überlegte gerade, was ich auf diese selbstgefällige Äußerung am besten antworten sollte, als ich draußen Schritte hörte, die ich als die von Cyrus erkannte; er legte eine Eile an den Tag, die mir ängstliche Schauder über den Rücken jagte. Er rannte fast, und noch ehe er meine Tür erreicht hatte, begann er zu rufen.
    »Amelia! Sind Sie hier?«
    »Eine Sekunde«, rief ich zurück, nahm Emerson schnell die Schachtel weg und verstaute sie wieder in ihrem Versteck.
    »Was ist los Cyrus? Was ist passiert?«
    »Ich glaube, wir haben Ärger. Wir haben einen blinden Passagier entdeckt!«
    *
    Nachdem ich die Schachtel wieder versteckt hatte, ließ ich Cyrus herein. In meiner Aufregung hatte ich nicht daran gedacht, daß Emersons Anwesenheit zu einer peinlichen Situation führen könnte – insbesondere für Emerson –, bis ich sah, wie Cyrus den Mund aufriß; seine hageren Wangen liefen rot an. Emerson war ebenfalls errötet, doch er entschloß sich zur Flucht nach vorn.
    »Sie stören eine berufliche Unterredung«, knurrte er. »Was soll diese Aufregung?«
    »Ein blinder Passagier«, erinnerte ich ihn. »Wer?
    Wo?«
    »Hier«, erwiderte Cyrus.
    Einer der Matrosen schubste sie herein. Aus der Kleidung mußte man schließen, daß es sich um ein weibliches Wesen handelte, obgleich das abgetragene schwarze Gewand ihre Gestalt gänzlich verhüllte und der staubige Schleier ihr Gesicht bis auf die erschrockenen dunklen Augen verdeckte.
    »Das ist eine der armen Frauen aus dem Dorf, die vor ihrem grausamen Mann oder tyrannischen Vater flieht«, rief ich voller Mitgefühl.
    »Hölle und Verdammnis!« brüllte Emerson.
    Sie blickte ihn an. Er saß kerzengerade auf seinem Stuhl und umklammerte mit den Händen die Armlehnen. Mit einer raschen Bewegung riß sie sich los und warf sich ihm zu Füßen.
    »Retten Sie mich, O Vater der Flüche! Ich habe mein Leben für Sie riskiert, und nun hängt es am seidenen Faden.«
    Heute schien der Tag der Übertreibungen zu sein, dachte ich bei mir. Sie hatte versucht, den mordlüsternen Wächter am Betreten von Emersons Gefängniszelle zu hindern, doch wie konnte ihr schrecklicher Meister davon erfahren haben? War das überhaupt dieselbe Frau? Ihre Stimme klang anders – heiserer, tiefer, und mit einem deutlichen Akzent.
    »Bei mir bist du sicher«, sagte Emerson und betrachtete das gebeugte schwarze Haupt mit – wie ich erfreut feststellte – ziemlich skeptischem Blick. »Falls du die Wahrheit sprichst.«
    »Sie trauen mir nicht?« Immer noch knieend, richtete sie sich auf und nahm den Schleier vom Gesicht.
    Vor Schreck stieß ich einen Schrei aus. Kein Wunder, daß ich ihre Stimme nicht erkannt hatte; auf ihrem Hals zeichneten sich dunkle Würgemale ab. Ihr Gesicht war gleichfalls bis zur Unkenntlichkeit geschwollen und mit den Spuren brutaler Schläge übersät.
    »Das hat er mir angetan, als er erfuhr, daß Sie geflohen sind«, flüsterte sie.
    Das Mitleid hatte noch nicht gänzlich meinen Argwohn besiegt. »Wie hat er erfahren …«, fing ich an.
    Sie legte den Schleier wieder an und wandte sich mir zu. »Er schlug mich, weil ich Mitleid gezeigt hatte und weil … weil er zornig war.«
    Emersons Miene zeigte keine Regung. Wer nie erlebt hatte, welch brodelndes Meer zarter Gefühle sich hinter seiner zynischen Fassade verbirgt, hätte geglaubt, daß ihn das alles nicht berührte. Aber ich wußte, daß er an das halbwüchsige Mädchen dachte, das er nicht vor seinem mordlüsternen Vater hatte retten können. Seine Stimme verriet nichts davon, als er barsch sagte: »Geben Sie ihr eine Kabine, Vandergelt. Sie haben ja weiß Gott genügend überflüssigen Platz hier auf dem Schiff.«
    Sie küßte seine Hand, obwohl er sie daran hindern wollte, und folgte Cyrus nach draußen. Stirnrunzelnd griff Emerson wieder nach seiner Pfeife. Ich hörte, wie Cyrus dem Steward Anweisungen erteilte; nachdem er ihm aufgetragen hatte, der Dame (ich rechnete es ihm hoch

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