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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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und sie weigerte sich, ihre Verletzungen von mir behandeln zu lassen. Also gab ich ihr das saubere Nachthemd, das ich mitgebracht hatte, und überließ es ihr, sich ausgiebig zu waschen. Als sie wieder aus dem Badezimmer kam, schien sie überrascht, daß ich immer noch hier war. Mit abgewandtem Gesicht und unterwürfig wie der Hund, mit dem Cyrus sie verglichen hatte, lief sie rasch zum Bett hinüber und kroch unter das Laken.
    »Ich weiß nicht, was wir dir zum Anziehen geben sollen«, sagte ich in der Hoffnung, ihr durch ein Thema, das bei Frauen nur selten auf Desinteresse stößt, die Befangenheit zu nehmen. »Meine Reisegarderobe ist nicht umfangreich genug, um dich ebenfalls zu versorgen.«
    »Ihre Kleider würden mir nicht passen«, meinte sie leise.
    »Ich bin größer als Sie und nicht … nicht so …«
    »Hmm«, sagte ich. »Ich werde also neue Kleider für dich besorgen lassen, sobald wir in der nächsten Stadt anlegen. Dieses Gewand da ist schmutzig.«
    »Und einen Schleier, bitte! Er würde mich vor neugierigen Blicken schützen.«
    Ich bezweifelte, daß ein Schleier als Verkleidung ausreichen würde, um den Mann zu täuschen, den sie so sehr fürchtete. Da ich sie aber beruhigen und ihr Vertrauen gewinnen wollte, beschloß ich, unerfreuliche Themen auszusparen. Auf meine taktvollen Fragen hin war sie schließlich bereit, mir einen Teil ihrer Lebensgeschichte zu erzählen.
    Es war eine traurige Geschichte und tragischerweise keine ungewöhnliche. Als Tochter eines europäischen Vaters und einer ägyptischen Mutter war es ihr besser ergangen als den meisten Abkömmlingen solcher Verbindungen, denn ihr deutscher Vater hatte zumindest die Freundlichkeit besessen, ihr bis zum Alter von achtzehn Jahren ein Dach über dem Kopf zu gewähren. Nach seinem Tod war sie auf die Gnade seiner Erben angewiesen gewesen, die jede Verantwortung von sich wiesen und jegliche Verwandtschaft abstritten. Ihre Bemühungen, sich durch ehrbare Arbeit den Lebensunterhalt zu verdienen, scheiterten an ihrem Alter und ihrem Geschlecht. Als Hausmädchen wurde sie vom ältesten Sohn der Familie verführt und von seinen Eltern auf die Straße gesetzt, nachdem die Affäre ruchbar wurde. Natürlich gaben die Eltern ihr die Schuld und nicht ihrem Sohn. Also hatte sie den Rest ihrer Ersparnisse dafür verwendet, ins Land ihrer Geburt zurückzukehren. Dort stellte sie fest, daß sich ihre Verwandten mütterlicherseits genauso feindselig verhielten wie die ihres Vaters. Einsam und verzweifelt lebte sie in Kairo, und eines Tages begegnete sie … IHM. Als ich merkte, daß sie vor Müdigkeit und Erregung zitterte, forderte ich sie auf, sich schlafen zu legen. Natürlich durfte ihr Schweigen nicht auf ewig fortdauern. Ich war entschlossen, alles herauszufinden, was sie wußte.
    Doch das konnte noch etwas warten und …
    Als wir für die Nacht am Ufer festmachten, schickte ich einen der Diener in den Dorfbazar, damit er Kleider für Bertha kaufte. Das war, wie sie behauptete, ihr Name, der ganz gewiß nicht zu ihr paßte. Er erweckte (zumindest in mir) die Vorstellung von blonder teutonischer Gemütlichkeit.
    Als wir an unserem Bestimmungsort eintrafen, hatte ich mein Ziel, Berthas Gedanken auszuforschen, nicht erreicht. Emerson lehnte es ab, sich in irgendeiner Form mit der Angelegenheit zu beschäftigen. »Was kann sie uns denn mitteilen – daß Vincey ein brutaler Mensch, Lügner und Lüstling ist? Was er früher – in krimineller oder anderer Hinsicht – getrieben hat, interessiert mich nicht; ich bin kein Polizeibeamter. Wo er sich gegenwärtig aufhält – vorausgesetzt, er wäre so dumm, an irgendeinen Ort zurückzukehren, den sie kennt –, ist gleichfalls belanglos.
    Wenn ich den Dreckskerl sehen will, finde ich ihn schon.
    Und zur Zeit habe ich keine Sehnsucht nach ihm. Ich will meine Arbeit fortsetzen und das werde ich auch, komme, was da wolle, Hölle oder Sintflut, Verbrecher oder aufdringliche Frauen!«
    *
    Auf einer Länge von über sechzig Kilometern entlang des Nils in Mittelägypten ragen die Klippen der östlichen Hochwüste steil über dem Wasser empor, mit Ausnahme einer Stelle, wo sie eine halbkreisförmige, zehn Kilometer lange und drei Kilometer tiefe Einbuchtung bilden. Die unfruchtbare, flache Ebene wirkt hier noch abweisender als andere verlassene Gegenden, denn es ist ein verwunschener Ort – wo eine Königsstadt, die inzwischen für immer vom Erdboden verschwunden ist, einst für kurze Zeit im Glanz

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