Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
wollte. Ich fragte sie auch nicht, woher sie das schwarze Gewand und den Gesichtsschleier hatte. Ich selbst besaß natürlich eine derartige Ausstattung, die ich immer in meiner Garderobe mitführe. Man weiß ja nie, wozu man sie einmal braucht.
Also zogen wir beide uns um, und Walter schlüpfte in eine Galabija. Mehr konnten wir nicht tun. Unser Plan war mehr oder weniger ausgereift, und nach der Landung gab ich Daoud die letzten Instruktionen.
»Folge uns mit ein wenig Abstand, Daoud, und halte dich versteckt. Beobachte, wohin wir gehen. Wenn wir ein Haus betreten, warte … Warte und zähle bis fünfhundert. Falls wir dann noch nicht wieder herausgekommen sind oder falls du Schüsse hörst, geh und erzähle Mr. Vandergelt, was passiert ist.«
Daoud war ein gutmütiger Riese, der gehörigen Respekt vor mir hatte. Noch nie hatte er sich einer meiner Anweisungen widersetzt. Gegen diese jedoch wehrte er sich heftig. Ich war gezwungen, ihm mit dem Sonnenschirm zu drohen, damit er einwilligte.
Unkenntlich in unseren schwarzen Gewändern, gingen wir Frauen bescheiden hinter Walter und David her. Walters Hand lag auf der Schulter des Jungen – scheinbar eine freundschaftliche Geste, doch ich wußte, was Walter dachte: Er befürchtete, David könne uns in einen Hinterhalt locken. Evelyn hätte gegen diese Unterstellung heftig protestiert, und ich selbst glaubte es auch nicht. Aber glauben ist nicht wissen. Und wir hatten keine andere Wahl, als dieses Risiko auf uns zu nehmen.
Luxor hat nur zwölftausend Einwohner, von denen einige eng gedrängt in Gegenden leben, die so finster und überfüllt sind wie die Elendsviertel großer Städte. An jenem Abend waren sie allerdings nicht so finster, denn das kleine Fest des Bairam, das den Fastenmonat Ramadan beendet, wurde mit zeremoniellen Besuchen und dem Austausch von Geschenken gefeiert. Wir kamen an einladend geöffneten Türen und plaudernden Menschen vorbei, doch als David endlich stehenblieb, waren die Gassen totenstill und die umliegenden Häuser dunkel.
»Hier«, flüsterte er. »Hier hat der Mann Ramses gepackt.«
Unwillkürlich drängten wir uns, mit dem Rücken zur Wand, zusammen. Nun hing alles von der Katze ab, und da wir nun voll und ganz auf ihre angeblichen Fähigkeiten angewiesen waren, kostete es selbst mich Mühe, ihnen zu vertrauen. Ich wollte schon etwas sagen, als mein suchender Blick auf eine bekannte Fassade fiel.
»Dies ist das Haus«, zischte ich.
»Woher weißt du das?« fragte Walter.
»Eine Erklärung würde jetzt zu lange dauern.« Ich betrachtete das Gebäude.
Wie die anliegenden Häuser rechts und links war es einige Stockwerke hoch. Die Mauer war mit abblätterndem Stuck verziert. Über der Tür befand sich ein Balkon, die Fenster zu beiden Seiten waren verrammelt.
War dieses schäbige Anwesen tatsächlich Riccettis Hauptquartier? Ganz sicher war aus dieser Tür der riesenhafte Mann gekommen, um mich – wie mir nun klar wurde – aufzuhalten. Bei näherer Musterung fielen mir einige interessante Einzelheiten auf. Zuerst einmal waren die Fensterläden stabil und so fest geschlossen, daß kein Lichtschein hinausdrang, was darauf hinwies, daß die Bewohner nicht sehr gastfreundlich waren und nicht einmal während der Feiertage Besuch empfangen wollten. Das gleiche galt für die Häuser rechts und links und auch für die auf der gegenüberliegenden Seite der schmalen Gasse. Die ganze Gegend war ungewöhnlich dunkel und ruhig. Ich fragte mich, ob alle Gebäude in dieser Straße Riccetti gehörten.
Falls er draußen eine Wache postiert hatte, war es aus und vorbei mit uns. Allerdings nahm ich nicht an, daß er sich diese Mühe gemacht hatte, denn dank der dicken Mauern und der Läden vor den Fenstern waren die Häuser uneinnehmbar wie Festungen. Ich beschloß, meine Zeit nicht mit der Suche nach einem Hintereingang zu verschwenden. Vermutlich gab es einen, doch wir würden ihn wahrscheinlich nicht von den anderen Türen unterscheiden können. Und wenn man auf diesem Wege leicht ins Haus gelangen konnte, stand dort gewiß ein Wachmann.
Ich zog die hinderlichen Kleider aus und stieß sie mit dem Fuß beiseite. »Nimm mich auf die Schultern«, sagte ich zu Walter und zeigte auf den Balkon.
Wie auch er wußte, war das die einzige Möglichkeit, aber er fühlte sich wieder einmal verpflichtet, seine Männlichkeit unter Beweis zu stellen. »Nicht du. Ich werde …«
»Ich kann dich nicht hochheben, du Schwachkopf«, zischte ich mit
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