Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
sie unnötig ausführlich erklärte – trug sie einen sportlichen Rock, kurz genug, daß man ihre Füße in den hübschen Stiefeln sehen konnte, eine Bluse und einen Tropenhelm. Ihre Taille wurde von einem breiten Ledergürtel betont. Obwohl sie recht ansehnlich wirkte, hätte kein Mann sie auch nur eines Blickes gewürdigt, solange Nefret zugegen war. Ich hatte für das Mädchen einen Anzug ähnlich dem meinen anfertigen lassen: Hosen und passende Jacken aus Flanell oder Serge, die überall praktische Taschen aufwiesen. Derbe Stiefel, ein Hemd, eine ordentlich gebundene Krawatte und – natürlich – ein Tropenhelm rundeten das Ensemble ab.
Zuerst erblickten wir Abdullah, der mit der Mannschaft schon in der letzten Woche per Eisenbahn vorausgefahren war. Bestimmt hatte er Männer abkommandiert, um Ausschau nach uns zu halten, damit er bei unserer Ankunft zur Stelle sein konnte. Abdullah und seine Leute übernachteten in Gurneh, denn er hatte in diesem Dorf (unweit unserer Ausgrabungsstätte) Unmengen von Freunden und Verwandten.
Nachdem er mit seinem Gefolge an Bord gekommen war, gingen wir in den Salon, um uns zu unterhalten und ein paar Erfrischungen zu uns zu nehmen; wir tranken Whiskey Soda, doch die anderen mußten sich mit den Gesprächen begnügen, schließlich hatten wir noch immer Ramadan.
Würdevoll wie ein biblischer Patriarch nahm Abdullah in einem geschnitzten Lehnsessel Platz. Die übrigen – Daoud, Abdullahs Neffe, und seine Söhne Ali, Hassan und Selim – ließen sich gemütlich auf dem Boden nieder. Ramses setzte sich zu Selim, der eine denkwürdige Saison lang sein bester Freund (das heißt Komplize) gewesen war. Selim war zwar nur wenig älter als Ramses, aber inzwischen verheiratet und Vater einer rasch wachsenden Familie. Allerdings hatte er sich seine Jungenhaftigkeit bewahrt, und Ramses und er plauderten bald angeregt.
»Alles ist bereit, Emerson«, sagte Abdullah. »Wir haben die Vorräte beschafft, wie du es wolltest, und überall verkündet, daß du Arbeiter suchst. Sollen die Bewerber morgen bei dir vorsprechen?«
»Besser nicht«, antwortete Emerson. Er holte seine Pfeife heraus, fummelte eine Ewigkeit an dem verflixten Ding herum und zündete es schließlich an. Abdullah, der Emerson gut kannte, beobachtete ihn aufmerksam. Wenn ein ansonsten für seine Ungeduld berüchtigter Mann sich soviel Zeit ließ, hatte er vermutlich etwas Wichtiges zu sagen.
»Wir alle hier sind Freunde«, fing Emerson an. »Ich vertraue euch wie meinen Brüdern, und ich weiß, daß ihr meine Worte in euren Herzen bewahren werdet, bis ich euch gestatte, darüber zu reden.«
Nefret und Gertrude zuliebe sprach er Englisch, doch die formellen, blumigen Floskeln stammten eigentlich aus dem Arabischen. Sie führten zum gewünschten Erfolg – ernstes Nicken und Ausrufen wie Máschalláh ! und Yá salám !
»In den Hügeln von Drah Abu’l Naga gibt es ein unentdecktes Grab«, fuhr Emerson fort. »Das Grab einer großen Königin. Ein Mann, dessen Namen ich nicht nennen darf, hat mir eine bestimmte Aufgabe übertragen. Und ich habe feierlich geschworen, dieses Grab zu finden und es zu retten. Meine Brüder, ihr wißt, daß es Menschen gibt, die mich daran hindern würden, wenn ihnen mein Vorhaben bekannt wäre; es gibt Leute, die … ach, verdammt.«
Seine Pfeife war ausgegangen. Gerade noch rechtzeitig, denn er hatte sich so in seinen Redefluß hineingesteigert, daß er Gefahr lief, die Dramatik zu übertreiben. Abdullahs und mein Blick trafen sich – er machte zwar ein äußerst ernstes Gesicht, aber das Funkeln in seinen Augen verriet ihn. »Der Vater der Flüche hat gut gesprochen, meine Freunde«, sagte ich. »Stimmt ihr ihm nicht zu? Ich bin sicher, daß ihr, seine Brüder, einen ebenso feierlichen Eid schwören werdet, ihm zu helfen und ihn zu beschützen.«
Die anderen waren leichter zufrieden zu stellen als Abdullah. Heftige Beteuerungen auf arabisch und englisch folgten. Emerson sah mich tadelnd an, denn er hält für sein Leben gern Reden. Doch da ich die Lage so kurz und bündig zusammengefaßt hatte, gab es für ihn nichts mehr hinzuzufügen.
»So«, meinte Abdullah. »Wann willst du die Arbeiter einstellen?«
»Erst in ein oder zwei Tagen. Ich sage dir Bescheid.«
Kurz darauf verabschiedeten sich unsere Männer. Ramses und Nefret begleiteten sie zur Gangway, während ich die Briefe sortierte, die Abdullah mitgebracht hatte.
»Es tut mir leid, Miss Marmaduke, aber für Sie ist nichts
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