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Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses

Titel: Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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geschlafen hatte, und als ich ihn zurechtwies, weil er zu lange über seinen Texten gesessen hatte, gab er zu, daß er nicht vor zwei Uhr morgens ins Bett gegangen sei. Meine mütterliche Predigt wurde vom Erscheinen Nefrets unterbrochen, deren Verhalten und Aussehen Zeichen von Müdigkeit erkennen ließen. Statt uns mit heiterem Lächeln und zärtlichen Umarmungen zu begrüßen, ließ sie sich erschöpft auf einen Stuhl fallen und griff nach einem Toast.
    »Du siehst auch so aus, als hättest du nicht gut geschlafen«, bemerkte ich. »Hast du wieder schlecht geträumt?«
    »Ja«, sagte Nefret unumwunden.
    Diese Träume waren selten, aber immerhin so unangenehm, daß sie Schwierigkeiten mit dem erneuten Einschlafen hatte.
    Ich nahm an, daß sie aus Kindheitserinnerungen resultierten; weiß der Himmel, die Erfahrungen des armen Mädchens in ihrer nubischen Oase waren schmerzhaft genug, um Stoff für ein Leben voller Alpträume zu liefern. Sie behauptete, daß sie sich nach dem Erwachen nicht mehr an deren Inhalt erinnern konnte, obwohl ich taktvoll und sanft versucht hatte, sie dahin zu bringen, daß sie sich diese ins Gedächtnis zurückrief. Ich war mir sicher, daß die Träume aufhörten, wenn ihr das gelänge.
    »Oh, Liebes«, sagte ich mitfühlend. »Ich hatte gehofft, du hättest das überstanden.«
    »Ich zweifle, ob mir das jemals gelingt«, sagte Nefret.»Ramses, kommst du mit mir auf die Veranda?«
    Gehorsam erhob er sich. Sie hob das Stückchen Brot auf, das er auf seinem Teller liegengelassen hatte, und warf es ihm zu. »Iß das auf«, maulte sie und führte ihn ins Freie.
    David stand gleichfalls auf und folgte ihnen. Ich fragte nicht, worum es ging, denn ich meine, daß Kinder ihre eigenen kleinen Geheimnisse haben sollen.
    Emerson hatte es eilig, ins Tal zu kommen, da er, wie er säuerlich bemerkte, dazu gezwungen sei, seine Arbeit bereits früh einzustellen, um eine verfluchte Party zu besuchen. Tatsächlich ist es so, daß viele Archäologen ihre Arbeit nicht nur aufgrund der Hitze kurz nach Mittag unterbrechen, sondern weil auch andere Aufgaben ihre Zeit beanspruchen. Korrekte Aufzeichnungen anzufertigen war laut Emersons eigener Aussage ebenso wichtig wie die Ausgrabung selbst. Darüber hinaus waren die »verfluchten« Partys meiner Meinung nach kein sinnloser Zeitvertreib. Es ist notwendig, daß große Geister Phasen der Entspannung genießen, und fachliche Gespräche anläßlich solcher gesellschaftlichen Ereignisse konnten von Bedeutung sein. Das hatte ich Emerson schon unzählige Male vorgebetet, und es machte mir nichts aus, es bei dieser Gelegenheit erneut zu wiederholen.
    Wir verließen das Haus kurz nach sechs Uhr.
    Die Arbeit ging fast noch schleppender voran als am Vortag. Die Männer setzten die Spitzhacken ein, um den verbarrikadierten Gang freizulegen, und in einigen Teilen konnte nur das geschulte Auge zwischen dem harten Mörtel und der Felswand unterscheiden. Ramses stieg nach unten, um einen Blick zu riskieren. Was er sah, inspirierte ihn offensichtlich nicht zum Bleiben. Er verließ uns, und ich nutzte die Gelegenheit für ein Schwätzchen mit Abdullah.
    Er wußte noch nichts Neues zu berichten. »In solchen Angelegenheiten macht man nur langsam Fortschritte, Sitt. Man weiß, daß ich von dir und vom Vater der Flüche ins Vertrauen gezogen werde, und ein Dieb gibt seinen Raub ungern vor dem Mudir zu. Aber ich habe eine andere Idee.«
    »Ja, Abdullah?«
    »Während der letzten Saison kundschaftete der Inspektor (wie er Howard Carter nannte) dieses Wadi aus, weil er nach Gräbern für die reichen Amerikaner suchte. Seine Männer untersuchten das Bodenniveau auf der Seite.« Er deutete auf den gegenüberliegenden Felsen und den offenen Eingang von Grab 19. »Es war dort im Vorhof des Prinzengrabes, wo er das kleine Grab mit den zwei Mumien fand. Könnte es sein, daß einer seiner Männer vielleicht unser Grab entdeckt hat?«
    Plötzlich erinnerte ich mich an unsere Begegnung mit dem Arbeiter, der an jenem Tag aus dem Wadi gekommen war, als wir das Grab fanden – glücklicherweise größtenteils deshalb, weil uns irgend jemand eine Markierung hinterlassen hatte. Der Kerl hatte einen Korb getragen, der sein Gesicht verdeckte, und Nefret hatte sich noch nichtsahnend über seine ungewohnte Eile lustig gemacht.
    »Gütiger Himmel«, entfuhr es mir. »Abdullah, mein Freund. Ich glaube, du hast es! Der Mörder von Mrs. Bellingham muß all die Jahre als Ägypter verkleidet hier gelebt haben.

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