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Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses

Titel: Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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von ihm gefordert hätte, sich bäuchlings unter den Tisch zu legen, während die Prinzessin diese Zeit dafür nutzte, Gestalt anzunehmen.
    Trotzdem war das Ganze nicht zum Lachen. Das letzte, was ich von Donald wahrnahm, bevor die Lichter gelöscht wurden, war, daß ihm die Augen vor Begierde beinahe aus dem Kopf fielen. Jetzt, wo es bereits zu spät war, wünschte ich mir, ich hätte mich vorher vergewissert, ob sein Herz auch in Ordnung war. Seine physische Anspannung der letzten Wochen hatte allerdings keine negativen Folgen gehabt, was ermutigend war. Man konnte nur das Beste hoffen.
    Mrs. Jones übertraf sich selbst. Sie seufzte, stöhnte und stammelte. Ramses hatte nicht genau erklärt, auf welche Stichworte er und Enid sich verständigt hatten (um gerecht zu sein, ich hatte ihn darum gebeten, es nicht zu tun), deshalb war ich ebenso überrascht wie Donald, als die Stimme meines Sohnes plötzlich das Seufzen der Dame übertönte.
    »Seht! Was ist das da am Fenster?«
    Die gespenstische Atmosphäre war so überzeugend, daß ich mir für Sekundenbruchteile vorstellte, ich sähe hinter den dunklen Vorhängen eine schemenhafte, bleiche Gestalt. (Wie ich später erfuhr, sah ich sie wirklich: ein langes, weißes Tuch, das David, dessen Stuhl dem Fenster am nächsten stand, auf Armlänge von sich gehalten hatte.) Dann entzog mir Enid ihre Hand, und ich hörte das leise Rascheln von Stoff, als sie hinter das aufgespannte Bettuch schlüpfte.
    »Es ist nichts.« Das war Davids Stimme. Er klang, als wiederholte er eine einstudierte Rede, was tatsächlich der Fall war.
    Mrs. Jones nahm das Stichwort auf und stieß einen gellenden Schrei aus, der Donalds Aufmerksamkeit erneut auf sie lenkte. Sie fing an, sich in abgehackten Sätzen zu artikulieren, die von herzerweichenden Seufzern und dem verzweifelten Ringen nach Luft unterbrochen wurden. »Zu schwer … der Schmerz … Oh, Götter der Unterwelt …«
    Donald versuchte, sich zu befreien. Ich hörte, wie Emerson ihn sanft, aber unerbittlich an die Gefahren für das Medium und die Prinzessin ermahnte, wenn die Materialisierung unterbrochen wurde.
    Enid hatte wohl einige Schwierigkeiten mit ihren Knöpfen oder ihren Haarkämmen; Mrs. Jones’ Beschwörungen an die Götter der Unterwelt mußten mehrfach wiederholt werden, ehe sich die Tür hinter ihr endlich öffnete und sie enthüllte … Enid, in ein Bettuch gewickelt und mit billigem Schmuck behängt, die nur von einer einzigen Lichtquelle im Hintergrund angestrahlt wurde.
    Aber das war nicht das, was Donald sah, und für Sekundenbruchteile sah ich es wie er: die schlanke Gestalt der Frau, durch deren durchsichtiges Gewand das Licht schimmerte, mit ihren funkelnden Juwelen an Hals und Armen und den rabenschwarzen Locken, die über ihre weißen Schultern fielen.
    Einige Sekunden lang war es so totenstill, daß man das Knistern des Dochtes in der Petroleumlampe hören konnte. Ich hielt den Atem an. Der kritische Augenblick war gekommen. Würde Enid sich an ihren Text erinnern und ihn überzeugend vermitteln? Würde Donald diese Vision akzeptieren? Ihr Gesicht wurde vom Schein des schwachen Lichtes und von einem dünnen weißen Schleier verborgen (das war eine gute Idee gewesen; ich nahm mir im stillen vor, Ramses dafür zu loben). Gelang es einem Mann aber trotzdem nicht, die Gesichtszüge seiner eigenen Ehefrau zu erkennen? Sie durfte sich nicht zu lange aufhalten. Und wie wollte sie ungesehen wieder verschwinden?
    Das alles schoß mir auf einmal siedendheiß durch den Kopf. Dann verwandelte sich Donalds stoßweises Atmen in ein Schluchzen. Er versuchte ihren Namen auszusprechen – Tasherit –, brachte jedoch nur die erste Silbe hervor.
    Enid räusperte sich. »Ich grüße dich, mein Gebieter und lang verlorener Geliebter«, fing sie an. »Es war eine mühselige Reise durch die Finsternis von Amenti …«
    Ach, du meine Güte, dachte ich. Sie klingt wie ein Schulmädchen, das versucht, wie eine tragische Heldin zu wirken. Diese scheußliche Rede war sicherlich Ramses’ Idee gewesen. Was hatte er da bloß wieder gelesen? Das Ganze war komisch und peinlich – und bedauernswert. Donald weinte. Enids affektierte, selbstbewußte Stimme fuhr zusammenhanglos fort und sprach von den Göttern der Unterwelt, vom Schmerz, zu den Lebenden zurückzukehren, und ähnlichem Unsinn. Ich dachte bei mir, daß ich weder Donalds Tränen noch Ramses’ banale Prosa sehr viel länger ertragen konnte. Es wurde höchste Zeit, daß Enid

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