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Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses

Titel: Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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seinen Wein leer, und ich sagte ungläubig: »Das ist alles?«
    »Ja.«
    ANMERKUNG DER HERAUSGEBERIN: Der werte Leser findet es möglicherweise aufschlußreich, Ramses’ Version des Vorfalls mit einer anderen Situation zu vergleichen, die in einem der Manuskripte der neu entdeckten Sammlung von Emerson-Familienpapieren auftaucht. Die Federführung des Fragments ist bislang unbestimmt, aber es läßt sich berechtigtermaßen folgern, daß der Eintrag entweder von Mr. Ramses Emerson selbst unter dem Deckmantel der Fiktion (in dem Bestreben, seiner Mutter nachzueifern) oder von jemandem verfaßt worden ist, dem er in solchen Fällen mehr Vertrauen beimaß als möglicherweise seinen Eltern. Auszüge aus diesem Manuskript werden im folgenden mit der Bezeichnung »aus Manuskript H« gekennzeichnet sein.
    Sie standen auf den obersten Treppenstufen, die von der Terrasse hinunterführten, und blickten auf die Shari’a Kamel, die auch zu dieser Stunde noch von Droschken und Kutschen, Eseln und Kamelen sowie vereinzelten Autos wimmelte. Gegenüber der belebten Straße funkelten die Gaslaternen der Ezbekieh-Gärten wie gefallene Sterne durch das dunkle Blätterwerk. Dolly Bellingham schwatzte in einem fort; er schenkte dem, was sie sagte, kaum Beachtung, genoß allerdings den Klang ihrer sanften Stimme mit ihrem seltsam fremden Akzent. Intelligente Gespräche gehörten nicht zu Dollys Stärken. Es waren ihre Stimme und die großen braunen Augen und die weichen kleinen Hände …
    Dann bemerkte er, daß die kleinen Hände an seinem Jackenärmel zogen und ihre sanfte Stimme irgend etwas von sich gab, was ihn so faszinierte, daß er ihr aufmerksam zuhörte.
    »Komm, wir rennen weg und lassen sie nach uns suchen. Wäre das nicht lustig?«
    »Wegrennen? Wohin denn?«
    »Wir könnten in diesen wunderschönen Gärten spazierengehen. Sie müssen nachts geradezu phantastisch sein.«
    »Nun, ja, aber sie sind kaum der geeignete Aufenthaltsort für …«
    »In Ihrer Begleitung bin ich doch vollkommen sicher«, murmelte sie, umklammerte seinen Arm und sah zu ihm auf.
    »Äh – ja, natürlich«, sagte Ramses leicht verwirrt. »Aber Ihr Vater …«
    »Oh, er wird mit mir schimpfen. Das macht mir nichts aus, ich kann ihn immer um den Finger wickeln. Sie haben doch keine Angst vor ihm, oder?«
    »Nein. Aber meine Mutter wäre ebenfalls nicht erbaut davon, und vor ihr habe ich mächtige Angst.«
    »Angsthase!«
    »Wie bitte?«
    Er hatte damit gerechnet, daß sie ihn weiter bedrängte, und so langsam begann ihm das Spiel zu gefallen. Es traf ihn vollkommen unvorbereitet, als sie plötzlich schrie: »Oh, schau mal!« und die Treppe hinunterrannte. Sie wandte den Kopf und lachte ihm noch einmal zu. Als er sich wieder gefangen hatte, bahnte sie sich gerade ihren Weg durch den abenteuerlichen Verkehr auf der Straße.
    Einmal dachte er schon, er hätte sie eingeholt, aber sie entwand sich geschickt seinem Zugriff und spurtete geradewegs auf den dämmrigen Eingang zu. Als er versuchte, ihr auf den Fersen zu bleiben, hielt ihn der Parkwächter auf und beschimpfte ihn fast so wortreich wie sein Vater, während er in seiner Jackentasche nach einer Münze suchte. Die Verzögerung hatte ihr genügend Zeit gegeben, ihm zu entwischen, aber das hatte sie gar nicht gewollt; immer wieder erhaschte er einen Blick auf rosa Seide und hörte ihr silberhelles Lachen, während er ihr von einem schummrigen Pfad zum nächsten folgte. Zuerst waren die Spazierwege gut besucht, aber die Gäste wichen lachend und scherzend zur Seite. Eine Frau – der Stimme nach zu urteilen, eine Amerikanerin – rief: »Sind sie nicht niedlich?«
    Ramses fand sich alles andere als niedlich, falls er sie überhaupt richtig verstanden hatte. Er hoffte nur, daß er das verzogene kleine Wesen rechtzeitig wieder ins Hotel zurückbringen konnte, bevor irgend jemand ihr Verschwinden bemerkte, und er flehte inständig, daß keiner der amüsierten Zuschauer mit seinen Eltern oder ihrem Vater befreundet war. Die Spaziergänger wurden immer weniger. Sie hatte sich von den Cafés und Restaurants entfernt und lief in Richtung der dunkleren, weniger besuchten Gegenden.
    Für einen langen Augenblick verlor er sie aus den Augen. Dann schimmerte im Licht der Laterne vor ihm wieder ihr pinkfarbenes Kleid, und er schlug erleichtert, aber auch zornig den Seitenweg ein. Sie war da, nur ein paar Schritte vor ihm – jetzt rannte sie nicht, sondern spazierte langsam vor ihm her und blickte von einer Seite zur

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