Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses
Schutt gefüllt.«
»Das macht das von Ihnen Erreichte noch beeindrukkender«, erklärte Nefret. »Glauben Sie, daß Sie Hatschepsuts Mumie finden werden?«
Wie jede andere Frau war auch sie von dieser bemerkenswerten Geschlechtsgenossin fasziniert, die den Titel eines Pharaos angenommen und Ägypten mehr als zwanzig Jahre lang in Frieden und Wohlstand regiert hatte. Von ihren kornblumenblauen Augen und ihrem süßen Lächeln verwirrt, hätte Howard ihr Hatschepsut und noch zwanzig weitere Pharaonen versprochen, wenn Emerson diese Idee nicht eiskalt im Keim erstickt hätte.
»Nur wenige königliche Mumien wurden in ihren eigenen Gräbern gefunden. Es ist wesentlich wahrscheinlicher, daß ihre entwendet und von den Priestern versteckt wurde, wie die Mumien, die in der Royal Cache gefunden wurden. Vielleicht ist ihre sogar darunter; zu der Gruppe gehören auch mehrere nicht identifizierte weibliche Mumien.«
Alle drei waren angeregt in ihre archäologische Diskussion vertieft, und da ich unbedingt die neuesten Nachrichten erfahren wollte, lud ich Howard ein, zum Abendessen zu bleiben. Erst am späteren Abend, als Nefret sich in ihr Zimmer zurückgezogen hatte und Emerson in seinem Arbeitszimmer etwas suchte, das er Howard unbedingt zeigen wollte, hatte ich die Gelegenheit, dem jungen Mann die Frage zu stellen, deren Beantwortung mich schon seit Tagen brennend interessierte.
»Warum haben Sie mir an dem Abend, als ich Sie nach Grab 20-A gefragt habe, nicht gesagt, daß eine solche Begräbnisstätte nicht existiert?«
»Wie bitte?« Howard starrte mich an. »Grab 20 … Oh! Ja, ich erinnere mich. Ich dachte, Sie hätten 28 gesagt. Es ist nicht mehr als eine Grube, Mrs. Emerson, ohne Inschriften und bis auf einige unbedeutende Fragmente vollkommen leer.«
»So einfach ist das«, sagte ich mit einem entschuldigenden Lächeln. »Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen, Howard. Ich hatte mich gefragt … Ach, zum Teufel, Emerson, wie lange stehst du schon da im Türrahmen?«
»Nicht so sehr lange«, meinte mein Gatte. »Also, Carter, Sie behaupten, Sie hätten Mrs. Emerson mißverstanden? Ich frage mich, ob Sie wirklich die Wahrheit sagen.« Howards spitzes Kinn zuckte nervös. »Sir, Sie können mir glauben! Ich würde Sie oder Mrs. Emerson unter keinen Umständen jemals belügen.«
»Natürlich nicht«, entfuhr es mir. »Emerson, hör auf, ihn zu schikanieren!«
Die Diskussion über Archäologie wurde zu Howards offensichtlicher Erleichterung fortgesetzt, und der Abend endete damit, daß Howard uns bat, am nächsten Morgen nochmals zum Grab zu kommen. »Natürlich nur, wenn Sie in der Gegend sind«, fügte er hinzu.
»Das bezweifle ich«, sagte Emerson seufzend. »Ich habe noch nicht entschieden, wo ich anfangen soll. Logisch gesehen, müßte ich mit Nummer 5 beginnen, dem ersten der unbekannten Gräber, aber es befindet sich in der Nähe des Eingangs zum Tal, und ich würde es vorziehen, in einem Gebiet zu arbeiten, wo mich die verfluchten Touristen nicht behelligen. Ich möchte mich noch einmal umsehen, bevor ich mich letztlich entschließe.«
Nachdem Howard gegangen war, wandte ich mich ziemlich erregt meinem Gatten zu. »Du drückst dich immer rätselhafter aus, Emerson. Was hast du damit gemeint, als du Howard der Lüge bezichtigtest?«
»Ich sagte nicht, daß er log. Ich sagte, daß er nicht die Wahrheit gesagt hätte.«
»Zum Teufel, Emerson …«
Emerson grinste. »Peabody, wenn du Howard Carter in deinem schneidenden Befehlston, der keinen Widerspruch zuläßt, erzählt hättest, daß du nach den Gräbern der Herrscher des versunkenen Atlantis suchtest, hätte er nicht den Mut besessen, dir zu erklären, daß sie nicht existieren. Die Wahrheit ist, meine Liebe, daß ich der einzige Mann bin, der es wagt, dir zu widersprechen. Das ist auch der Grund, warum du mir seit so vielen Jahren die Treue hältst.«
»Einer der Gründe«, sagte ich und war nicht in der Lage, seinem Lächeln oder der Hand, die meine mit festem, warmem Griff umschloß, zu widerstehen.
»Ganz recht«, meinte Emerson und löschte das Licht.
Pünktlich am nächsten Morgen kehrten die Jungen zum Haus zurück. Sie wußten, daß Emerson ihrem Unabhängigkeitsdrang ein Ende gesetzt hätte, wenn dieser seine Arbeit behindert hätte. Außerdem zogen beide den seltsamen Speisen, die Ägypter zu dieser Tageszeit zu sich nehmen, ein gehaltvolles englisches Frühstück vor.
Als ich mich erkundigte, wie es ihnen am Abend zuvor ergangen war,
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