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Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses

Titel: Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Kieselsteinen in unserer Nähe entlockte Dolly einen kurzen Aufschrei. »Wird die Felswand über uns einstürzen? Ach, gütiger Himmel, was ist das für ein entsetzlicher Ort!«
    »Gar nichts wird über uns einstürzen«, sagte Nefret mit herablassend gekräuselten Lippen. Sie wandte sich um und sah hinauf. Dabei beschirmte sie ihre Augen zum Schutz vor der Sonne mit ihrer Hand. »Da ist jemand auf dem Pfad.«
    Da war tatsächlich so etwas wie ein Pfad, auch wenn ihn außer Ziegen wohl kaum jemand benutzt hätte. Der Pfad, den wir am Morgen gegangen waren, über den Gebel von Dair Al-Bahri, wurde häufig benutzt und war – verglichen mit diesem steilen und gefährlichen Aufstieg – eine richtige Prachtstraße. Ich wollte gerade etwas erwidern, als ich ein leises, schwaches Geräusch von oben vernahm. Nefret saß kerzengerade.
    »Es ist eine Ziege – vermutlich ein Junges. Es befindet sich sicherlich in Gefahr, es bewegt sich nicht.«
    Wieder hörten wir das Geräusch. Es stand außer Frage, das Geschöpf hatte Angst oder Schmerzen – und war, dem Klang seiner Stimme nach zu urteilen, noch recht jung.
    »Nefret«, rief ich. »Warte. Ich rufe …«
    Ich wußte, daß das vergeblich war. Ihr weiches Herz konnte dem Wehklagen einer hilfebedürftigen Kreatur nicht widerstehen. Als ich mich erhoben hatte, war sie bereits fort.
    Ich raste los, allerdings nicht hinter ihr her, sondern geradewegs auf den Grabeingang zu. »Ramses! Emerson! David!«
    Der aufgebrachte Tonfall meiner Stimme brachte sie in Bewegung. Sie war gut und gerne fünf Meter über uns, bewegte sich geschickt auf Händen und Knien vorwärts, als sie schließlich auftauchten.
    Emerson fluchte und raste los.
    »Warte, Vater«, sagte Ramses. »Sie sucht nach irgend etwas – einer Ziege vermutlich. Du kennst doch Nefret, sie würde nicht ohne das Tier zurückkommen. Wir brauchen ein Seil.«
    Die Entschiedenheit in seiner Stimme hielt Emerson zurück. »Seil«, wiederholte er vollkommen erzürnt. »Ja. Zum Teufel mit dem Mädchen! Nein! Nein, so habe ich das nicht gemeint …«
    »Gütiger Himmel«, schrie Bellingham. »Bringt sie zurück. Hinter ihr her!«
    »Das habe ich vor«, erwiderte Ramses. »Nein, Vater, bleib bitte hier. Der Fels bröckelt ab, und dein Gewicht bringt ihn vielleicht noch stärker zum Abrutschen.« Er zog Stiefel und Strümpfe aus, nahm die Seilrolle, die David ihm reichte, und schlang sie sich über die Schulter.
    Ramses konnte schon immer wie ein Affe klettern. Diesmal stieg er den Abhang beinahe so behende hinauf, wie ich normalerweise laufen konnte, und hangelte sich von einem Vorsprung zum nächsten. Nefret, die mit ausgebreiteten Armen gefährlich nahe am Band der Klippen balancierte, hielt inne und blickte zurück. Dann – auch ich war versucht, das Mädchen zu verfluchen – lief sie weiter. Die Stelle, wo die Ziege lag, war vom Pfad aus nur schwer zugänglich; sie mußte den schmalen Streifen überqueren, um sie zu erreichen. Als sie näherkam, hatte sie die Ziege wohl erschreckt oder verwirrt, denn das Tier blökte laut und versuchte zu entkommen. Kieselsteine regneten auf uns herab.
    Ramses hatte einen Punkt erreicht, der sich genau unter ihrem Stiefel befand. Mit dem anderen Fuß suchte sie nach einem imaginären Halt. Bis zu diesem Augenblick hatte ich darum gefleht, daß er sie erreichen möge, bevor sie fiel. Nun fragte ich mich nur noch, wie er sie überhaupt wieder nach unten befördern sollte.
    Er hielt nicht inne. Statt zu versuchen, sie festzuhalten, ging er auf eine Seite, passierte sie und blieb etwas oberhalb links von ihr stehen. Nachdem er das Seil abgewikkelt hatte, warf er die Schlinge über einen Felsvorsprung – das nahm ich jedenfalls an, denn ich konnte es von unten nicht sehen –, griff nach dem herunterhängenden Ende und schwang sich nach unten, bis er ungefähr dreißig Zentimeter von ihr entfernt auf der gleichen Ebene landete. Als er einen Halt für seine nackten Füße gefunden hatte, beugte er sich nach vorn und packte sie um ihre Taille. Emerson atmete mit einem explosiven Seufzer aus. Er hatte es bislang nicht gewagt, auch nur einen Ton zu sagen. Jetzt schrie er aus vollem Halse: »Kommt da oben sofort runter!«
    Keiner von beiden bewegte sich. Sie stritten sich. Ich hörte ihre aufgeregten Stimmen, konnte aber nichts verstehen, was vermutlich auch besser war.
    »Ich gehe besser und hole die Ziege«, sagte David belustigt. »Sie kommt nicht ohne das Tier zurück. Und Ramses kann nicht beide

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