Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor
– einer verflucht unangenehmen noch dazu –, sollte Beweis genug sein, daß ich weder mit dieser skrupellosen Frau noch mit ihrer Stellvertreterin auf gutem Fuß stehe.«
»Momentan nicht«, folgerte ich. »So scheint es zumindest. Sobald ich allerdings feststellen mußte, daß Bertha unsere Widersacherin war, regte sich mein Verdacht gegenüber Ihnen erneut. Es kann einfach kein Zufall sein, daß Sie immer dann auf der Bildfläche erscheinen, wenn auch sie auftaucht, und sich unser Vertrauen zu erschleichen versuchen.«
Ich hatte meine Fesseln begutachtet. Ich griff zu einer meiner Haarnadeln, reckte mich und versuchte mich an dem Vorhängeschloß. Sir Edward beobachtete mich interessiert und, wie mir schien, leicht belustigt.
»Das ist klug gefolgert von Ihnen, Mrs. Emerson. Allerdings irren Sie sich. Da das Spiel ohnehin aus zu sein scheint, kann ich ebensogut die Wahrheit zugeben. Es gefällt mir gar nicht, daß Sie mich für einen Verbündeten von Madame Bertha halten könnten, wie wir sie nennen.«
Meinen Fingern entglitt die Haarnadel. Ich stützte mich auf einem Ellbogen ab und starrte ihn an. »Versuchen Sie nicht, mir weiszumachen, daß Sie Sethos sind. Ich würde ihn überall und in jeder Verkleidung wiedererkennen!«
»Sind Sie sich da sicher?« Er lachte. »Nein, ich bin nicht Sethos. Aber ich stehe eng mit ihm in Verbindung, genau wie Mme. Bertha, bis sie mit ihrem ungeschickten Angriff auf Sie seinen Zorn erregte. Es war unüberlegt von ihm, sie gehen zu lassen, aber manchmal ist er – wie Ihnen bekannt sein sollte – ein Romantiker, was Frauen anbelangt.«
»Hmhm«, sagte ich und tastete nach der Haarnadel. »Vermutlich hätte ich wissen müssen, daß Sethos Ihr Meister ist. Hat er sie hierhergeschickt?«
Eine Windböe ließ die Fensterläden erzittern. Sir Edward blickte zum Fenster.
»Da wir augenblicklich nichts Besseres zu tun haben, kann ich ebensogut Ihre Fragen beantworten. Ja, er hat mich geschickt. Aber nennen wir ihn doch eher ›Chef‹, oder? ›Meister‹ klingt etwas übertrieben. Nachdem Mme. Bertha mit erheblichen Barmitteln und seinen wertvollsten Kunstschätzen das Weite gesucht hatte, hielt er es für möglich, daß sie sich an Ihre Fersen heftete. Er war ziemlich beschäftigt mit Mr. Romers Antiquitätensammlung, dennoch dürfen Sie mir glauben, meine liebe Mrs. Emerson, wenn er Sie in drohender Gefahr vermutet hätte, hätte er Sie niemals einem Untergebenen überlassen, nicht einmal einem so begabten wie mir.«
»Zum Teufel mit ihm«, murmelte ich. Die Haarnadel war außer Reichweite geraten. Ich zog eine weitere aus meinem Haar.
»Zunächst glaubte ich, daß seine innige Besorgnis ihn fehlgeleitet hatte«, fuhr Sir Edward fort. »Denn in unserem alten Unterschlupf in Kairo fand ich keine Spur von Mme. Bertha. Was ich nicht wußte war, daß sie heimlich eigene Pläne geschmiedet hatte. Die Leute, die sie diesmal angeworben hatte, gehörten zum Abschaum der Kairoer Unterwelt. Sie wußten von ihrer Verbindung zu Sethos, und Mme. Bertha drohte ihnen im Falle der Indiskretion Vergeltungsmaßnahmen an. Letztlich waren es törichte Narren. Wenn unsere Leute diesen Anschlag in Kairo verübt hätten, wären Ihr Sohn und seine Freunde niemals entkommen.«
»Dessen bin ich mir nicht so sicher«, erwiderte ich.
»Nun, vielleicht haben Sie recht. Ramses entwickelt sich zu einer recht interessanten Persönlichkeit und Miss Nefret … Mein Chef ist nicht schnell überrascht, doch als ich ihm von ihrer Teilnahme erzählte, war er vorübergehend sprachlos.«
»Sie haben ihm davon erzählt? Wann war das?«
Sir Edward grinste. »So leicht kriegen Sie mich nicht, Mrs. Emerson. Wie Sie allerdings wissen, erfuhr ich erst von dieser Geschichte, als Sie mich davon in Kenntnis setzten, und ich erkannte erst bei meinem Aufenthalt in Luxor, daß Madame dort weilte und wieder mit ihren alten Tricks arbeitete.
Was ich – ebenso wie Sie – nicht erkannte war, daß ihre skrupellosen Anschläge Ablenkungsmanöver waren, die Ihre Aufmerksamkeit auf Verbrecher und Kulte, gestohlene Kunstschätze und … äh … gefallene Mädchen lenken sollten. Währenddessen wartete sie in ihrem harmlos erscheinenden Netz, daß Sie zu ihr kamen. Fatima war das leichtgläubige Opfer, von dem sie sich erhoffte, daß sie Sie in ihre Hände spielen würde. Einer ihrer Tricks hätte beinahe funktioniert. Miss Nefret wäre niemals von ihrem Besuch bei der reizenden Mme. Haschim zurückgekehrt, wenn die Jungen
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