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Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor

Titel: Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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kletterten über umgestürzte Steinquader, durch dunkle Winkel und folgten den kläglichen, ununterbrochenen Schreien zurück in das Sanktuarium, das Schatten so groß wie dunkle Wasserlachen warf …
    Dann nichts mehr. Sein Kopf dröhnte, sein ganzer Körper schmerzte. Wie lange war er bewußtlos gewesen? Es mußte mittlerweile Nacht sein; im Sonnenlicht hätte er Lichtstreifen von der Tür oder den Fenstern bemerken müssen, selbst wenn diese verhangen waren.
    Unter erheblichen Mühen rollte er sich auf die Seite. Kein Wunder, daß er von bandagierten Mumien geträumt hatte; sie waren großzügig mit ihren Stricken umgegangen. Man hatte ihm die Hände auf dem Rücken festgebunden und seine Arme an seinen Körper gefesselt; das andere Ende des Seils, das seine Knöchel umschlang, mußte an irgendeinem Gegenstand befestigt sein, den er nicht sehen konnte, da er seine Beine nur wenige Zentimeter hin und her bewegen konnte. Irgendwie schmeichelhaft, dachte er im stillen. Der Ruf seines Vaters mußte auf ihn abgefärbt haben. Selbst der mächtige Vater der Flüche hätte diese Fesseln nicht gesprengt. Blieb ihm nur zu warten, bis jemand kam, was sicherlich irgendwann der Fall sein würde. Sie hatten sich nicht einer solchen Mühe unterzogen, nur um ihn hier liegen und verhungern zu lassen.
    Doch die Vorstellung erzeugte eine gewisse Panik, und er mußte sich zwingen, ruhig liegenzubleiben und gleichmäßig zu atmen. Der Knebel schürfte seine Lippen auf. Sein Mund war wie ausgetrocknet und fühlte sich an, als wäre er mit Sand gefüllt. Die Luft war stickig und heiß und der Geruch … Jede Kultur hat ihre ganz eigenen Gerüche, die von der jeweiligen Gesellschaftsschicht und den persönlichen Eigenarten abhängig sind, von einem Kundigen jedoch rasch unterschieden werden können. Küchengerüche waren besonders aufschlußreich. Selbst mit geschlossenen Augen hätte er gewußt, ob er sich in der Küche eines englischen Herrenhauses oder einer Hütte, in einem ägyptischen Kaffeehaus oder einer deutschen Bierstube befand. Dieser Raum war keine Küche, sondern einfach nur ein Zimmer, weder Höhle noch Vorratskammer. Er barg den undefinierbaren und dennoch eindeutigen Geruch Ägyptens, auch wenn er irgendwann einmal von jemandem mit europäischem Geschmack – einem erlesenen Geschmack sozusagen – bewohnt worden war. Er kannte den Namen des Parfüms nicht, hatte es jedoch zuvor schon gerochen.
    Der Untergrund, auf dem er lag, war weicher als ein Fußboden, selbst wenn er mit einem Teppich oder einer Matte bedeckt gewesen wäre. Als er sich bewegte, gab er unmerklich nach und knirschte leise. Ein Bett vielleicht oder zumindest eine Matratze. Horchend verharrte er und hielt den Atem an. Er nahm weitere Geräusche wahr, einige schwach, entfernt und nicht unterscheidbar, andere leise und in seiner Nähe. Eine Maus trippelte auf ihren winzigen Füßen hervor und knabberte an irgend etwas. Insekten schwirrten und brummten umher. Das Geräusch einer weiteren schwer atmenden Lunge, das er einerseits zu hören hoffte, andererseits auch befürchtete, war nicht vernehmbar. Hatten sie David ebenfalls verschleppt, oder hatten sie ihn tot oder verletzt im Tempel liegengelassen?
    Da er nichts anderes tun konnte, versuchte er zu schlafen. Er hatte nicht damit gerechnet, daß die ihm von einem alten Fakir in Kairo vermittelten Meditationstechniken unter diesen Umständen Wirkung zeigten, doch seine Lider waren bereits geschlossen, als er aufgrund eines weiteren Geräusches plötzlich wieder hellwach war. Vor ihm auf dem Boden zeichnete sich ein Lichtstrahl ab, der sich zu einem Rechteck vergrößerte.
    Flink schlüpfte sie in den Raum und verschloß die Tür. Die von ihr getragene Fackel spendete kaum Licht und flackerte, da es sich lediglich um einen in Öl getränkten Stoffstreifen handelte, doch nach der langen Dunkelheit blendete sie ihn fast. Sie deponierte die Fackel auf dem Tisch und setzte sich neben ihn auf das Bett. Diesmal trug sie rote Rosen im Haar, und an ihren Handgelenken schimmerten silberne Geschmeide.
    »Ich habe dir Wasser gebracht«, sagte sie sanft. »Aber du mußt mir dein Wort geben, daß du nicht schreien wirst, wenn ich den Knebel entferne. Durch diese Mauern würde man dich ohnehin nicht hören, aber ich würde bestraft, wenn man erführe, daß ich hier war.«
    Sie wartete sein Kopfnicken ab, bevor sie den Stoff mit einem in ihrer Schärpe versteckten Messer durchtrennte. Die Erleichterung war groß, doch

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