Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken
Zeitverschwendung ist«, knurrte Emerson. Er setzte sich auf einen Felsen und kramte seine Pfeife hervor. Wie üblich hatte er seinen Helm verlegt, und die Sonne brannte unbarmherzig auf seinen entblößten schwarzen Lockenschopf.
»Komm in den Schatten und trink etwas«, warf ich ein. »Ihr anderen folgt am besten seinem Beispiel; ihr wirkt sichtlich erschöpft.«
Also zogen wir uns in den Schatten zurück, überließen Selim das weitere Packen, und ich goß jedem ein Glas Tee ein.
Nefret setzte ihren Hut ab und wischte sich über ihre feuchte Stirn. »Ich bin einverstanden«, erklärte sie.
»Womit?« Emerson beschäftigte sich bereits wieder mit anderen Dingen.
»Daß wir den Standort wechseln sollten. Hast du nicht selbst gesagt, daß wir auch zukünftigen Archäologen irgend etwas zur Exkavation hinterlassen müssen, da sie vielleicht fortschrittlichere Techniken entwickeln werden? Immerhin haben wir in Erfahrung gebracht, daß dieses Grabfeld frühdynastisch sein muß. An anderer Stelle befinden sich spätere Grabstätten; sie liefern uns vielleicht Hinweise auf die Identität des Erbauers der Pyramide.«
»Er ist uns bereits bekannt«, erwiderte Geoffrey. »Die Vasen, die wir im Vorjahr in der Mastaba gefunden haben, tragen den Namen eines gewissen Königs Cha-ba.«
»Wer auch immer das war«, erwiderte Nefret skeptisch. »Er wird in keiner Königsliste erwähnt. Außerdem kann man aufgrund der in einem nahegelegenen Grab gefundenen Artefakte eine Pyramide noch lange nicht einem bestimmten Herrscher zuschreiben.«
»Manchmal ist das aber der einzige Anhaltspunkt, mein Liebling«, erwiderte Geoffrey sanft. »Die Pyramiden der dritten und vierten Dynastie enthalten keinerlei Inschriften. Und diese hier ist vermutlich noch älter. Mr. Reisner glaubt –«
»Aber ihr habt nur eine Mastaba erforscht. Auf der Nordseite befinden sich noch weitere.«
Geoffrey setzte sich auf und schlang die Arme um seine angewinkelten Knie. Die wenigen Wochen der Zusammenarbeit mit Emerson hatten den Burschen gestählt; seine nackten Unterarme waren gleichmäßig gebräunt, und sein verschwitztes Hemd klebte an muskulösen Schultern. »Deine Argumentation ist nicht von der Hand zu weisen, Liebste. Solange keine weiteren Zwischenfälle wie der auftreten, der Ramses um ein Haar gravierend verletzt hätte. Wenn ich nur daran denke, daß du an seiner Stelle dort unten gewesen wärest, gefriert mir das Blut in den Adern.«
Nefret kniff die Lippen zusammen. Geoffreys Besorgnis war nur natürlich für einen jungen Ehemann, dennoch würde er lernen müssen, daß sie sich nicht wie eine Mimose behandeln ließ. Da ich eine Auseinandersetzung befürchtete, mischte ich mich ein.
»Ich versichere Ihnen, Geoffrey, daß Emerson keine unnötigen Risiken eingeht und das auch seinen Leuten untersagt. Es war ein unglücklicher Zufall. Anders kann ich es nicht werten.«
Emerson ignorierte diesen Einwurf. »Ich möchte die Frage nach dem Erbauer endlich aus der Welt schaffen«, gestand er. »Und vielleicht auch entschlüsseln, warum sich in der Pyramide keinerlei Hinweis auf eine Bestattung findet. Sie müssen den Halunken doch irgendwo beerdigt haben, versteht ihr; und wenn nicht im Innern der Pyramide, wo dann? Und warum nicht in der Pyramide?«
»Nun, Sir …«, hub Geoffrey an.
Emersons saphirblaue Augen musterten ihn strafend, und er schloß abrupt den Mund. Uns anderen war völlig klar, daß seine Fragen rein rhetorischer Natur waren. Emerson war im Begriff, uns einen Vortrag zu halten. Und er schätzt es nicht, wenn man ihm dabei ins Wort fällt.
»Die andere sogenannte Pyramide hier in Zawiet el-Aryan war ebenfalls leer. Zugegeben, sie wurde nie vollendet; verflucht, es gibt keinerlei Hinweise auf eine Substruktur. Allerdings gab es eine verborgene Grabkammer mit einem Sarkophag, die von riesigen Felsquadern ummauert war. Der Deckel des Sarkophags befand sich noch an Ort und Stelle, trotzdem war das Innere leer. Was uns erneut auf die Frage bringt: Wohin haben sie die Mumie dieses Bas… – äh – Königs gebracht?«
»Und wie lautet deine Theorie, mein Lieber?« fragte ich, obschon ich wußte, daß er uns diese ohnehin schildern würde.
»Ich habe noch keine Theorie entwickelt«, ereiferte sich Emerson. »Aber ich will dir eins sagen, Peabody. Meine Arbeit an dieser Pyramide ist noch lange nicht abgeschlossen.«
»Oh, Emerson«, entfuhr es mir, während ich die Hände vor die Brust schlug. »Du glaubst, daß die Grabkammer
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