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Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken

Titel: Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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dieselbe Religion und das Ganze –, trotzdem lehren uns die jungen Türken eine schreckliche Lektion. Auch sie begannen als Reformer und Revolutionäre. Nachdem sie inzwischen eine ganze Weile an der Macht sind, sind sie genauso korrupt wie das alte Regime, und das Bestrafungssystem in den Provinzen ist unverändert. Das Auspeitschen, die Verurteilung ohne Verhandlung und die Allmacht der häufig brutalen Dorfrichter bestimmen das Bild. Ich will nicht, daß so etwas auch hier eintritt, David, nicht, wenn ich es irgendwie verhindern kann. England besitzt zwar viele Entscheidungsbefugnisse, aber beileibe nicht in dem Maße wie der Sultan.« Diese Begebenheit hatte ihm noch etwas anderes vermittelt, aber das konnte er nicht einmal gegenüber David eingestehen. Einen Menschen zu beobachten, der von einem pflichtbewußten, brutalen Experten in Sachen Urteilsvollstreckung zu Tode geprügelt wurde, war eine neue Erfahrung für ihn gewesen. Die Sache hatte längere Zeit in Anspruch genommen, und man hatte dafür gesorgt, daß er jeden Schlag der Karbatsche und jeden Schrei mitbekam. Als sie schließlich die blutigen Überreste beseitigt und ihn statt dessen festgebunden hatten, hätte er am liebsten geschrien oder um Gnade gefleht, doch dann war sein Vater eingeschritten. Daß die Karbatsche das einzige war, wovor er Angst hatte, wäre Untertreibung gewesen; er hatte vor vielem Angst. Aber sie war das einzige, was er mehr fürchtete als den Tod.
    Schließlich wandte David ein: »Sicherlich besteht nicht die geringste Gefahr, daß –«
    »Ägypten erneut unter osmanische Oberhoheit gerät? Wie du weißt, ist das de facto immer noch der Fall. Was glaubst du, warum von einem verschleierten Protektorat die Rede ist? Die Briten haben das Land nie offiziell annektiert; Cromers Titel lauteten Generalbevollmächtigter und Generalkonsul, auch wenn er 30 Jahre lang die absolute Machtstellung in Ägypten innehatte. Jetzt bekleidet Kitchener diese Position. Er will die Nationalisten zur Strecke bringen, und das gelingt ihm mit verfluchter Hartnäckigkeit. Wardani ist der einzige Führer, der noch nicht im Gefängnis oder im Exil ist, und er kann den Behörden nicht mehr lange entwischen. Falls er der Versuchung erliegt, ein Attentat zu verüben, wird man ihn verhaften und umgehend exekutieren. Und dich könnte dasselbe Schicksal treffen, wenn man erfährt, daß du zu dem engen Kreis seiner Verbündeten gehörst.«
    Nach seiner erregten Argumentation holte er tief Luft, hielt inne und bemühte sich, zur Beherrschung zurückzufinden.
    »Über diesen Aspekt habe ich bislang nicht nachgedacht«, gab David in seiner leisen, höflichen Art zu. »Ich weiß, daß du Wardani wegen deiner mir gegenüber gehegten Besorgnis aufgesucht hast –«
    »Nicht unbedingt. Er und ich hoffen, daß wir den anderen zur Durchsetzung unserer egoistischen Ziele gebrauchen können.« Ramses grinste zynisch. »Er war nicht in der Lage, mir bei der Sache mit den Fälschungen behilflich zu sein, es sei denn im negativen Sinne – aber das ist immerhin besser als gar nichts.«
    Zwangsläufig war ihm die nächste Frage klar, und deshalb beendete er das Gespräch, indem er gähnend aufsprang. »Lia wäre es bestimmt nicht recht, wenn ich dich noch länger aufhielte, und ich muß noch einige Notizen machen, bevor ich schlafen gehe. Gute Nacht.«
    In dieser Nacht brachte er seine Notizen nicht mehr zu Papier. Er mußte noch etwas anderes erledigen und kehrte erst kurz vor dem Morgengrauen durch ein offengelassenes Fenster ins Haus zurück.
    Es dauerte eine Woche, bis Nemesis in der Gestalt von Wardani auftauchte. Als er an jenem Nachmittag aus Gizeh zurückkehrte, fand er ein reizendes kleines Briefchen von Lia vor, die ihn zum Abendessen einlud. »David läßt dir ausrichten, daß er dich gewaltsam holt, falls du nicht freiwillig kommst.«
    Er hatte gehofft, noch einige Stunden Schlaf zu finden, bevor er erneut aufbrach, doch diese Einladung durfte er nicht ausschlagen. Die Mitteilung war eindeutig. Das einzige, was ihm nicht klar war, war die Tatsache, welche schlechte Neuigkeit David mit ihm besprechen wollte.
    Darüber ließ David ihn nicht lange im Zweifel. Ramses hatte um Kaffee anstelle von Tee gebeten, weil er hoffte, daß dieser ihn beleben würde, und Lia war nach unten zu Karima gegangen und hatte sie allein auf dem Oberdeck zurückgelassen. Im Westen stand die Sonne bereits sehr tief, und die Silhouetten der Pyramiden von Gizeh waren in ein goldenes Licht

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