Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken
Anwandlung als Ehestifterin hingebe.«
»Das ist bei solchen Gelegenheiten doch ganz natürlich«, erwiderte ich. »Was meinen Sie, wer ist der nächste? Keins von Ihren Kindern; sie sind noch zu jung.«
»Alt genug, um die ersten Reize zu bemerken. Ich muß leider sagen, daß Anna Ramses schon im letzten Jahr das Leben schwer gemacht hat. Allerdings hat er das souverän gehandhabt, denke ich.«
»Er hat reichlich Erfahrung«, entgegnete ich süffisant. »Ich kann mir nicht vorstellen, warum sie es tun.«
Schmerzhaft stieß Katherine mir ihren Ellbogen in die Rippen, und ich bemerkte Ramses neben mir. »Verzeihung«, sagte er. »Habe ich ein vertrauliches Gespräch unterbrochen?«
»Es war absolut nichts Vertrauliches«, erklärte Katherine schelmisch. »Wir spekulierten gerade über Liebesbeziehungen. Was halten Sie von Nefret und Raddie, Amelia? Er scheint von ihr hingerissen zu sein.«
»Er wirkt völlig hypnotisiert«, erwiderte ich, denn auch ich hatte Raddies verträumten Blick und sein sentimentales Lächeln bemerkt. »Sie flirtet hemmungslos mit ihm.«
»Sie will schlicht und einfach in Übung bleiben«, konterte Ramses. »Außerdem kann ihr Raddie nicht das Wasser reichen. Besser, ich erlöse den armen Kerl von ihr.«
Die Musiker, die leise im Hintergrund gespielt hatten, stimmten einen Walzer an, und Braut und Bräutigam eröffneten den ersten Tanz. Bald schon gesellten sich Walter und Evelyn zu ihnen. Ramses hatte Nefret von ihrer Beute fortgezerrt; während er sie im Kreise schwang, bauschten sich ihre lindgrünen Röcke auf. Johnny tanzte mit einer jungen Dame namens Curtis oder Curtin, einer Schulfreundin Lias.
Alle anderen verlor ich an diesem Punkt aus den Augen, da mich mein Gatte mit einer besitzergreifenden Geste auf die Tanzfläche führte (genauer gesagt, trug). Mit Emerson Walzer zu tanzen erfordert absolute Konzentration; er kennt nur diese eine Schrittfolge und vollführt sie mit derselben Energie, die sämtliche seiner Aktivitäten auszeichnet. Unglücklicherweise hatte mein geliebter Emerson das Orchester angewiesen, eine ganze Reihe von Walzern aufzuspielen.
Da die anwesenden Herren in der Überzahl waren, wurden die Damen stark gefordert. Im Verlauf des Nachmittags tanzte ich mit fast allen männlichen Gästen, einschließlich Gargerys und, zu meiner freudigen Überraschung, Selims, der überaus zufrieden und anziehend wirkte, obwohl er sich einen Bart hatte wachsen lassen, um seinen Männern mehr Respekt einzuflößen. Er erklärte, daß ihm Margaret Tanzstunden gegeben habe und daß er in England jede sich bietende Möglichkeit zur praktischen Anwendung nutzen würde, weil ihm diese neue Aktivität gefiel und er seine Ehefrauen darin unterweisen wolle.
Ich kann mich an keinen glücklicheren Tag erinnern. Später überlegte ich, ob bereits eine gewisse Vorahnung das Ganze überschattet hatte, die zwar nicht den schmerzvollen Gedanken an einen zukünftigen Verlust suggeriert, sondern die augenblickliche Daseinsfreude verstärkt hatte. Hätten wir doch nur gewußt, daß wir zum letzten Mal ein so unbeschwertes Beisammensein genossen.
Am späten Nachmittag zogen sich die Frischvermählten zurück, um ihre Reisegarderobe anzulegen. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge und der üblichen Abschiedszeremonie reisten sie schließlich ab; und nachdem die Kutsche »mit unbestimmtem Ziel« in der nebligen Abenddämmerung verschwunden war, kehrten wir in den Saal zurück.
»Fast wie bei einem Begräbnis, nicht wahr?« bemerkte Emerson. »Sobald der oder die Hauptakteure aus den Augen sind, fängt der gemütliche Teil an.«
Die einzige Person, die diese ungebührliche Bemerkung aufschnappte, war Cyrus Vandergelt, der Emerson viel zu lange kannte, als daß ihn dessen Äußerungen noch erstaunten. Sein faltiges, sonnengegerbtes Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. »Ich habe mich bereits bestens amüsiert. Noch nie habe ich einer Hochzeit beigewohnt, die so verflucht lustig war! Ich werde Selims ägyptischen Tanzstil nie vergessen, während der Bräutigam auf einen Topf trommelte, einer auf einer Spielzeugpfeife trällerte und wir anderen ihn händeklatschend umringten.«
»Ich auch nicht«, erwiderte ich wehmütig. »Vielleicht haben wir aber auch dem Champagner zu sehr zugesprochen.«
»Dann trinken Sie noch ein Glas«, meinte Cyrus. »Schließlich wollen wir dieses Fest stilvoll beenden. Ein Hoch auf das Orchester! Los geht’s!«
Aus Manuskript H
Ramses konnte seine
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