Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken
ständig in dieses alte, verstaubte Britische Museum geschleift.«
Das war eine unverschämte Parodie auf das gekünstelte Gehabe der armen Maude, blieb dem Opfer, das bereitwillig reagierte, jedoch verborgen. Die Mädchen tauschten sich über Modehäuser und gemeinsame Freunde aus, während Jack die Archäologie aufgriff und Ramses versuchte, allen dreien zuzuhören. Insgeheim fragte er sich, was zum Teufel Nefret eigentlich einfiel – abgesehen davon, daß sie den Großteil der Sandwiches verspeiste und ihre Freundin lächerlich machte. Schließlich schob sie ihren Teller fort und bat um eine Zigarette.
»Wir wollten die Damen keineswegs ausschließen.« Jack wieherte erneut. »Ich schätze, das ganze Gerede über die Ägyptologie langweilt euch.«
Nefret machte ganz den Eindruck, als wolle sie ihn rüde zurechtweisen. Hastig durchwühlte Ramses seine Jackentasche und kramte sein Zigarettenetui sowie ein in Seidenpapier gewickeltes Päckchen hervor. Er bot Nefret das Etui an und entzündete ein Streichholz. In seiner Eile warf er das Päckchen achtlos auf den Tisch. Der Inhalt breitete sich violett und golden schimmernd vor ihnen aus.
Maude hielt den Atem an. »Sagt mal, das ist aber schön. Ist sie echt?«
Nefret blies eine Rauchwolke aus und meinte freundlich lächelnd zu Maude: »Echt, wie meinst du das? Ramses hat sie mir gerade gekauft, war das nicht süß von ihm? Bei Esdaile. Kennt ihr das Geschäft? Die Kette ist echt, trotzdem solltet ihr aufpassen, wenn ihr dort etwas kauft; wir – äh – erstanden dort vor kurzem eine überaus geschickt gemachte Fälschung.«
»Warum habt ihr sie dann gekauft?« fragte Jack.
»Wir hatten unsere Gründe«, erwiderte Nefret geheimnisvoll.
Ramses hielt es für angeraten, das Thema zu wechseln.
Als sie das Savoy verließen, war es bereits dunkel. Einer der Bediensteten fuhr den Wagen vor und schaltete die Beleuchtung ein. Während Ramses Trinkgelder verteilte, glitt Nefret hinter das Steuer.
»Na?« fragte sie, während sie das Automobil in den fließenden Londoner Abendverkehr einzufädeln versuchte.
Ramses riß die Augen auf. Sie hatte noch nie einen Unfall gehabt, trotzdem zerrte ihr Manöver an seinen Nerven.
»Na was? Nefret, dieser Omnibus –«
»Er sieht mich doch.«
»Was hast du denn nun schon wieder vor?«
»Ich werde meine Fahrermütze aufsetzen. Mein Haar weht in alle Himmelsrichtungen.«
»Das habe ich bemerkt. Warum tauschen wir nicht die Plätze? Vermutlich brauchst du für dieses Accessoire genauso beide Hände wie für das Lenkrad.«
Sie schnitt ihm eine Grimasse, dennoch nahm sie ihn beim Wort und legte mitten auf der Straße eine Vollbremsung hin. Sie fuhr wie ein Ägypter – und David, der wirklich ein waschechter Ägypter war, wie eine übervorsichtige alte Dame. Soviel zum Thema Stereotypen, dachte Ramses bei sich und rannte um den Wagen, während die frustrierten Fahrer mehrerer Fahrzeuge lautstark hupten und zeterten.
»Was hältst du eigentlich von den Reynolds?« fragte sie, während sie ihr Haar unter ihrer Kappe verstaute.
»Du hältst ihn doch bestimmt nicht für unseren Fälscher?«
»Für mich ist jeder verdächtig. Ich fasse zusammen, was wir bislang über diesen Burschen wissen.« Sie drehte sich zu ihm um und listete anhand ihrer Finger auf: »Erstens ist er ausgebildeter Ägyptologe; du hast selbst gesagt, daß dieser Text nicht von einem Laien stammen kann. Zweitens ist er ein ziemlicher Neuling auf diesem Gebiet –«
»Möglich, aber nicht einwandfrei erwiesen. Esdaile erwarb die Gegenstände im vergangenen April, trotzdem wissen wir nicht, ob nicht schon früher etwas zum Verkauf angeboten wurde.«
»Eine stichhaltige Vermutung«, erklärte Nefret unbeirrt. »Drittens ist er jung – ein faltiger alter Mann hätte sich nicht als David ausgeben können. Viertens spricht er Englisch wie ein Einheimischer, um Mr. Esdaile zu zitieren –« »Das schließt Jack aus«, meinte Ramses.
Sie brach in ihr melodisches Lachen aus. »Also, wer ist hier die intolerante Person, du oder ich?«
»So habe ich das nicht gemeint«, protestierte Ramses. »Ich wollte damit lediglich zum Ausdruck bringen, daß sein amerikanischer Akzent – äh – auffällig ist.«
»Nicht, wenn er von einem vorgetäuschten ägyptischen Akzent überlagert wird«, bemerkte Nefret triumphierend. »Fünftens weiß er eine Menge über uns – er kennt Davids Namen, sein äußeres Erscheinungsbild und seine Beziehung zu unserer Familie. Das gleiche
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