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Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra

Titel: Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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nicht umgehen lassen, höhere Autoritäten mit einzubeziehen, um die beschlossene Deportation von David und die heimliche Inhaftierung von Wardani in die Wege zu leiten. Rein theoretisch wussten von dem betrügerischen Doppelspiel nur Kitchener, MacMahon, General Maxwell und Thomas Russell.
    Das glaubte ich keinesfalls. Ungenannte Persönlichkeiten im Londoner Kriegsministerium mussten diesbezüglich informiert sein; General Maxwell hatte sich möglicherweise gewissen Mitgliedern seines Stabes und Clayton anvertraut. Die Männer glauben, dass Frauen hoffnungslose Plaudertaschen sind, die Frauen hingegen wissen, dass es sich umgekehrt verhält.
    Ja, das Gerücht würde sich verbreiten, in den Büros und in den Clubs, und, sofern mir diese kleine Schlüpfrigkeit erlaubt ist, in den Boudoirs. Ich bezweifelte nicht, dass sich Agenten der Großmächte in Kairo aufhielten. Einige hatten sich vielleicht in den Polizei- oder den Geheimdienst eingeschleust. Je länger die Jungen ihre riskante Aufgabe fortsetzten, umso größer war die Gefahr, dass die Wahrheit dem Feind zu Ohren kam. Vielleicht war es bereits geschehen.
    Diese deprimierende Schlussfolgerung veranlasste mich zu noch größerer Entschlossenheit. Als ich Gizeh erreichte, waren die anderen intensiv bei der Arbeit. Ich verharrte für einen Augenblick, um die gemalten Reliefs zu betrachten, die wirklich wunderschön waren. Allerdings gebe ich unumwunden zu, dass mein vorrangiges Interesse der Grabkammer – beziehungsweise den Grabkammern – galt. Die Mastaba enthielt zwei; wir hatten die Eingänge der tiefen, dorthin führenden Schächte entdeckt, doch Emerson weigerte sich, sie freizulegen, bis er die Arbeit an der eigentlichen Mastaba beendet hatte. Die Vorkammer oder Kapelle war bereits geräumt, doch der Durchgang, der zu einem weiteren Raum führte, wurde noch immer von Geröll versperrt.
    Nefret stand an der Wand, eine Taschenlampe in der Hand, und verglich die Zeichnungen, die Ramses anhand ihrer Fotos angefertigt hatte, mit den Originalen. Wann immer sie Abweichungen feststellte, nahm sie Korrekturen vor. Das würde mit absoluter Sicherheit zu einer Auseinandersetzung führen, da Ramses Korrekturen nicht kommentarlos hinnahm und Nefret keine unbedingt taktvolle Kritikerin war. Ein unwillkürlicher Seufzer entwich meinen Lippen, als ich an die Zeit zurückdachte, da David unser Kopist gewesen war; kein anderer besaß dessen Gabe, und selbst Ramses wandte sich an ihn, wenn Unstimmigkeiten vorlagen. Wie töricht und eigennützig von mir, solchen marginalen Verlusten nachzutrauern, sinnierte ich, und sandte ein leises Stoßgebet gen Himmel. Lass sie ihr gefährliches Vorhaben nur lebend und unversehrt überstehen, und ich werde nichts mehr erbitten von den höheren Mächten, die unser Leben bestimmen! Nichts mehr bis zur nächsten Saison, jedenfalls.
    »Wo ist Emerson?«, erkundigte ich mich.
    Selim, der einen Reflektor als zusätzliche Lichtquelle hielt, schüttelte lediglich den Kopf. Nefret blickte sich um. »Er wollte die Aufzeichnungen im Harvard Camp durchsehen.«
    »Welche Aufzeichnungen?«
    »Er hielt es nicht für nötig, mich zu informieren«, erwiderte Nefret. »Ramses ist nach Zawiet aufgebrochen. Daoud begleitet den Professor. Tante Amelia, darf ich mich heute Nachmittag für ein paar Stunden entschuldigen? Ich möchte in Kairo Einkäufe erledigen.«
    »Es wäre besser gewesen, du hättest Emerson gefragt.«
    »Er meinte, ich solle dich fragen.«
    Sie wirkte und klang ziemlich nachdenklich. Spontan wog ich die Vor- und Nachteile einer Erlaubnis ab. Wenn sie bei Davids Rückkehr nicht zugegen war, würde sich seine Verwandlung wesentlich einfacher gestalten. Andererseits glaubte ich nicht recht, dass sie tatsächlich Einkäufe machen wollte. Konnte ich ihr unbemerkt folgen? Durfte ich darauf bestehen, sie zu begleiten? Mütterliche Zuneigung übt ungeahnte Kräfte aus; ich sehnte mich danach, bei meinem Sohn zu sein, mich um ihn zu kümmern und sicherzustellen, dass er exakt nach meinen Wünschen handelte, was er vermutlich nur unter Zwang tun würde. Und was war mit Emerson? Es passte nicht zu ihm, dass er sich von seiner Arbeit entfernte. Inspizierte er tatsächlich die Aufzeichnungen von Mr Reisner oder war er einmal mehr in eigener Sache unterwegs? Ramses hatte erwähnt, dass Russell informiert werden müsse … Diese widersinnigen und verwirrenden Gedanken schossen mir mit der Spontanität durch den Kopf, die meine Wahrnehmung auszeichnet.

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