Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra

Titel: Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
Vom Netzwerk:
Jetzt wirkte es so lang und steil wie die Hauptgalerie in der Großen Pyramide.
    Ein leises Geräusch von oben ließ ihn aufblicken. Seshat thronte auf der Balkonbrüstung. Sie starrte ihn für Augenblicke an, dann sprang sie in das Weinlaub und kletterte so behände hinunter, als hätte sie festen Boden unter den Pfoten. Er kannte keine Katze, die dazu in der Lage war.
    Zähne und Krallen gruben sich in seinen nackten Knöchel und auf Grund des Schmerzes kam er wieder zu vollem Bewusstsein. Als sie ihr Ziel erreicht hatte, schmiegte Seshat schnurrend ihren riesigen Kopf an seinen Fuß.
    Immer einen Fuß hinter den anderen setzen, dachte er benommen. So ist es richtig.
    Sie kletterte mit ihm, fauchte missmutig und stupste ihn an, sobald er verharrte. Schließlich zog er sich über das Balkongeländer und sackte in sich zusammen. Ein weiterer Stupser von Seshat und er erhob sich. Er klammerte sich an den Fensterrahmen und blickte ins Zimmer. Es war so dunkel und ruhig, wie er es verlassen hatte; kein Anzeichen für irgendwelche Unruhen – Gott habe Dank für seine kleinen Gnaden. Das Bett schien meilenweit entfernt zu sein. Er hatte nur den einen Gedanken: es zu erreichen und sich hinzulegen. Er machte drei schwankende Schritte und stürzte.
    Als er das Bewusstsein wiedererlangte, beugte seine Mutter sich über ihn, und sein Vater stand neben ihr. Die Katze war aus dem Sack – würde es zumindest bald sein. Er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte.

    Am darauf folgenden Tag besserte sich meine Stimmung. David war allein nach Zawiet aufgebrochen und Emerson nahm Nefret mit nach Gizeh. Also konnte ich etwas mehr Zeit mit Ramses verbringen. Als ich den Verband entfernte, bemerkte ich, dass irgendjemand, vermutlich David, Kadijas grüne Salbe auf seine Verletzung gestrichen hatte. Ob es daran lag oder an der von mir verwendeten Zinksalbe oder an Ramses’ körpereigenen Abwehrstoffen, jedenfalls war keine Infektion aufgetreten. Allerdings regte er sich nach wie vor über Thomas Russell auf, bis ich ihm erklärte, dass er sich keine Sorgen zu machen brauche, da ich mich um die Sache kümmern würde. Diese Aussicht schien ihn irgendwie zu entsetzen.
    »Ich werde ihn nicht drangsalieren«, versprach ich. »Wenn du mir allerdings noch einige Einzelheiten nennen könntest …«
    Ihm blieb keine Wahl. Als ich ihn schließlich verließ, hatte ich Antworten auf die meisten meiner Fragen, und während ich in Richtung Gizeh ritt, sann ich über die Informationen nach.
    Nachdem ich von ihm erfahren hatte, was während der Zusammenkunft und im Anschluss daran geschehen war, verstand ich, weshalb er dermaßen darauf beharrte, seine gewohnten Aktivitäten aufrechtzuerhalten. Der vermeintliche Attentäter hätte der Türke sein können oder Wardanis ehrgeiziger Stellvertreter oder auch ein unbekannter Dritter; wer immer er war und was immer er bezweckte, so war er sich vermutlich der Tatsache bewusst, dass »Wardani« in irgendeiner Form verletzt war. Auf mein Drängen hin hatte Ramses auch zugegeben, dass er Grund zu der Annahme habe, dass man seine Maskerade durchschaute. Nähere Ausführungen verweigerte er mit der Behauptung, es handele sich eher um ein unangenehmes Verdachtsmoment als um eine erwiesene Tatsache – »wie eine von deinen berühmten Vorahnungen, Mutter«.
    Das vermochte ich nicht zu widerlegen, wusste ich doch, wie bedeutsam solche Empfindungen sein konnten. Es bot sich eine ganze Reihe von Möglichkeiten an, wie die Wahrheit über Wardanis Aufenthaltsort ans Licht gekommen sein konnte. Die absonderliche Konstitution des anglo-ägyptischen Beamtentums gestaltete sich nach der formellen Annexion des Landes noch komplizierter. Kitchener hatte man durch Sir Henry MacMahon ersetzt, dem man den neuen Titel Hochkommissar verlieh; General Sir John Maxwell war der Oberkommandant der Armee; die Polizeibehörde von Kairo stand weiterhin unter der Befehlsgewalt von Harvey Pascha, mit Russell als dessen Stellvertreter und Philippides, dem unverbesserlichen Levantiner, als Direktor des politischen Nachrichtendienstes; die neu gegründete Spionageabteilung unterstand Gilbert Clayton, der Kairo auch im Sudan vertrat; Clayton unterstellt waren Mr Newcombe und seine kleine Gruppe von Oxbridge-Intellektuellen, darunter auch Leonard Woolley und Mr Lawrence. Zu Beginn hatte Ramses ausschließlich mit Russell verhandelt, dessen Intelligenz und Integrität er entschieden mehr vertraute als der einiger anderer. Doch es hatte sich

Weitere Kostenlose Bücher