Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
Auseinandersetzung zwischen der Polizei und einer Gruppe von Rebellen gewesen wäre. Dein unsäglicher Cousin ist tot. Die einzigen anderen, die in der fraglichen Nacht zugegen waren, waren Sahin Bey und Sidi Ahmet; sie akzeptierten mich als einen der ihren und waren längst über alle Berge, bevor sich das Drama zuspitzte. Ich habe keine Ahnung, wie irgendjemand auch nur den Bezug herstellen könnte. In den Unterlagen der Organisation steht sogar ein hübsches kleines ›Ruhe in Frieden!‹ hinter meinem Namen.«
»Ich dachte, wir sollten dich warnen«, murmelte Ramses.
»Deine Besorgnis berührt mich tief.« Sethos’ Augen wurden schmal, winzige Fältchen umrahmten seine Lider. »Hast du gedacht, ich wäre derjenige, der dich an Wardanis Leute verraten hat?«
Der Verdacht war Ramses nie gekommen – bis zu jenem Augenblick. Sein Schweigen provozierte Sethos zu einer aufbrausenden Reaktion. »Um Himmels willen, bei den beiden Männern, die um deine wahre Identität und um die von dir übernommene Rolle wussten, handelte es sich um den Kopf des türkischen Geheimdienstes und den Clanchef der Senussi! Offen gestanden gibt es Dutzende von Leuten, die verfluchten Deutschen nicht einmal eingerechnet, die inzwischen über diese Information verfügen. Warum verdächtigst du ausgerechnet mich?«
»Der Gedanke ist mir nie gekommen«, entgegnete Ramses.
»Ah.« Der kurze Wutanfall war verrauscht. Sethos sann einige Augenblicke, bevor er fortfuhr. »Ich hoffe, du warst nicht so verbohrt, eine weitere Mission zu übernehmen?«
Ramses schüttelte den Kopf.
»Bleib dabei. Deine Deckung ist aufgeflogen, mein Junge, und sie werden dir überall auf der Lauer liegen. Wenn du meinen Rat willst, halte dich im Hintergrund und konzentriere dich auf die Exkavation.«
»Das habe ich auch vor. Wie ist es mit dir?«
»Mir geht es nicht anders.« Sein Onkel bedachte ihn mit einem zynischen Grinsen. »Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass die Spionage nicht sonderlich empfehlenswert ist. Die Bezahlung ist schlecht und nur wenige erleben ihre Pensionierung, sozusagen. Wie dem auch sei, die gegenwärtige Situation in Ägypten ist verlockend. Keiner wird mich daran hindern, das zu tun, was ich will.«
»Nein?«
Sein Onkel seufzte. »Das soll vermutlich heißen, dass du es zumindest versuchen wirst. Die jungen Leute sind so idealistisch. Auch gut, du zwingst mich, meine Pläne zu ändern. Es gibt genügend andere Stätten in Ägypten. Genießt euren Urlaub.«
Er erhob sich und gab Ramses die Zigarettenschachtel zurück. »Gute Nacht. Ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr ich den heutigen Abend genossen habe.«
»O nein, so nicht«, warf Ramses ein. »Erst beantwortest du uns noch ein paar Fragen.«
»Ich habe euch alles gesagt, was ihr wissen müsst. Pass auf ihn auf, Nefret. Darin stellt er sich selber nicht gerade geschickt an, und Amelia wäre außer sich, wenn ihm etwas zustoßen würde. Was mich daran erinnert – ihr habt nicht zufällig Genaueres erfahren über die Leiche, die sie in Gizeh entdeckt hat, oder?«
»Leiche?« Ramses erstarrte. »Welche Leiche?«
»Du hast nicht davon erfahren? Es stand doch in sämtlichen Zeitungen. Der Bericht erwähnte zwar nicht seinen Namen, aber mir ist gerade der Gedanke gekommen, dass es sich um …« Forschend musterte er die beiden. »Ach du meine Güte, ich hoffe, ich habe nichts Falsches gesagt. Vielleicht handelt es sich um eine dieser netten, kleinen zufälligen Leichen, mit denen Amelia sich ständig auseinander setzen muss. Nochmals gute Nacht.«
Geschmeidig glitt er aus dem Fenster, mit den Füßen zuerst. Ramses drehte sich im Zeitlupentempo um und betrachtete seine Frau. Sie hielt seinem Blick stand, allerdings errötete sie.
»Du sagtest, du hättest Mutters Brief verlegt«, hub er an. »Dieses liebevolle Geplänkel – diese liebenswerten Aufmerksamkeiten –, das alles sollte mich von meinem Vorhaben ablenken, ihn zu lesen.«
Ihre Wangen liefen tief rot an. »Sie fürchtete, du könntest den Bericht in der Zeitung entdecken.«
»Also hast du sichergestellt, dass ich keine Zeitung zu Gesicht bekam.«
»Ich wollte nicht, dass du …«
»Es erübrigt sich zu fragen, wer es war, stimmt’s?« Er fasste ihre Schultern. »Du hättest dich nicht solcher Mühen unterzogen, wenn es sich bei der Leiche um die eines Fremden gehandelt hätte. Die Zeitungen wussten vielleicht nicht um seine Identität, aber Mutter muss es gewusst haben; wie könnte es auch anders sein! Es war
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