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Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden

Titel: Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Morgen«, sagte ich freundlich und legte meinen Sonnenschirm auf den Empfangstresen. »Ich suche einen Herrn, der gestern Morgen eingetroffen ist.«
    Der Angestellte spähte von mir zu dem Schirm, zu Nefret und wieder zu mir. Er brauchte einige Sekunden, um seine Kiefer wieder in Normalstellung zu bringen.
    »Sehr wohl, Sitt. Da waren mehrere …«
    »Bitte lassen Sie mich das Gästebuch einsehen.«
    Sieben Personen hatten am Vortag eingecheckt. Ein Ehepaar – zumindest behaupteten sie, das zu sein – und eine Gruppe von drei Herren. Blieben noch zwei weitere Möglichkeiten. Ich hielt es nicht für erforderlich, den Angestellten um genaue Personenbeschreibungen zu ersuchen; ein Gast hatte sich mit Rudolf Rassendyll eingetragen.
    »Sein makabrer Sinn für Humor wird ihn noch eines Tages den Kopf kosten«, bemerkte ich gegenüber Nefret, als wir die Treppe zum dritten Stock hochgingen. Der Aufzug war natürlich außer Betrieb.
    »Wie viele Leute haben das Buch Der Gefangene von Zenda gelesen?«
    »Eine ganze Menge, nehme ich an. Es war gedankenlos von ihm.«
    Die Tür befand sich am Ende eines düsteren Ganges, der lediglich von einem kleinen Fenster erhellt wurde. Die Vorteile dieses Unterschlupfs lagen klar auf der Hand; niemand würde durch seine Zimmerfenster zu ihm gelangen können, von denen es vermutlich zwei gab, da er ein Eckzimmer bewohnte, aber sie boten ihm entsprechende Fluchtmöglichkeiten. Zweifellos hatte er bereits die Bettlaken zu einem provisorischen Seil zusammengeknotet. »Beabsichtigst du, dich als Zimmermädchen auszugeben?«, flüsterte Nefret.
    Ich sah sie erstaunt an. »Nein, warum sollte ich?« Ich streifte einen meiner Handschuhe ab und klopfte energisch an die Tür. »Ich bin es, Amelia. Mach sofort auf!« Unheilvolles Schweigen schloss sich an. Ich klopfte erneut. »Ich habe heute keine weiteren Verabredungen«, sagte ich etwas lauter. »Du kannst die Tür ebenso gut öffnen.«
    Die Zimmertür wurde aufgerissen und da stand er. Ich dachte, ich hätte mich mental auf diese Begegnung vorbereitet. Ich hatte mich getäuscht. Als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er auf einer Trage gelegen, tot oder sterbend, wie ich glaubte, blutüberströmt und mit kastanienbrauner Perücke und Schnauzbart. Es hätte ebenso gut Emerson sein können, der mir jetzt gegenüberstand – gewelltes schwarzes Haar, markantes Kinn, breite Schultern, ja selbst das Stirnrunzeln war mir vertraut. Er trug einen Morgenmantel, in dem ich einen von Ramses’ wiedererkannte, und er war barfuß. Ich stellte fest, dass ich etwas kurzatmig war.
    »Ganz recht«, konstatierte er. »Du würdest den ganzen Tag dort draußen verharren und brüllen.«
    Er trat zurück und bat uns ins Innere. »Ist das alles?«, erkundigte er sich. »Wo sind die anderen? Radcliffe, Ramses, Miss Minton …«
    »Lass uns keine Zeit auf ironische Kommentare verschwenden«, bemerkte ich.
    »Wie hast du mich gefunden?«
    »Auch das tut nichts zur Sache.« Der Raum hatte zwei Fenster und an Möblierung ein schmales Bett, einen Schrank, einen kleinen Tisch, einen einsamen Stuhl und eine Reihe angeschlagener Badezimmerutensilien, die, willkürlich verteilt, nicht einmal von einem Vorhang verdeckt wurden. »Meine Güte, wie ungemütlich«, entfuhr es mir. »Hier kannst du nicht bleiben.«
    »Nein, jetzt nicht mehr.«
    Meine Knie zitterten ein bisschen. Ich sank auf den Stuhl. Er wackelte, brach jedoch nicht zusammen. »Setz dich!«, befahl ich, ein Bündel Kleidungsstücke aus meiner Tasche zerrend. »Du siehst überhaupt nicht gut aus.«
    »Um Himmels willen, fang jetzt nicht an zu weinen!«, rief Sethos. Er wich zurück. »Du weinst doch sonst nie. Als ich in deinen Armen verschied, hast du keine einzige Träne vergossen. Du …«
    Der Raum war zu klein, als dass er noch sehr viel weiter gekommen wäre. Er stieß vor den Bettrand und brach darauf zusammen.
    Nefret hatte die Tür geschlossen und verriegelt. In Ermangelung eines weiteren Stuhls setzte sie sich neben Sethos.
    »Ich habe keineswegs die Absicht zu weinen.« Ich schüttelte das Bündel aus.
    »Was zum Teufel …«, setzte Sethos an.
    »Hör auf zu fluchen«, sagte ich automatisch. »Es handelt sich, wie du unschwer feststellen kannst, um eine Galabija. Ich habe mir erlaubt, mir einen langen Schal von Katherine auszuborgen. Er wird dir als Turban dienen.
    Du musst noch heute Abend von hier verschwinden. Ich bezweifle, dass man uns verfolgt hat – dein Widersacher kann nicht überall

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