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Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden

Titel: Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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er stellte sich nicht viel besser an als ich –, während sich das ungesiebte Geröll auftürmte und Emerson Daoud beschimpfte, weil er den Zollstock nicht richtig hielt, redete mich jemand mit leiser Stimme an.
    »Mrs Emerson? Äh … guten Morgen? Öh … ich hoffe, ich störe Sie nicht?«
    Ich versichere Ihnen, werte Leser, dass die Fragezeichen erforderlich sind, um den zögerlichen Tonfall zu dokumentieren. Bei dem Sprecher, der zu mir getreten war, während mein Auge auf den Sucher der Kamera fixiert war, handelte es sich um einen jüngeren Mann von mittlerer Größe, der mir irgendwie bekannt vorkam. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich ihn. In meiner Verblüffung antwortete ich ebenfalls im Fragestil.
    »William? William Amherst? Ist es denn möglich?«
    »Ja, Ma’am«, sagte William. (Wenigstens besaß er genügend Selbstvertrauen, seine eigene Identität nicht in Frage zu stellen.)
    William hatte einige Jahre für Cyrus gearbeitet und dessen Exkavationen im Tal der Könige überwacht. Ich hatte ihn gut gekannt, dennoch war mein Zweifel verständlich. Er war ein feiner, aufrechter junger Kerl gewesen und immer fröhlich. Jetzt stand ebendieser Mann mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf vor mir. Seine Kleidung war schäbig, seine Stiefel geflickt und der ehemals adrett gestutzte Schnurrbart hing ihm ungepflegt über den Mund.
    »Nun!«, sagte ich mit zugegebenermaßen aufgesetzter Herzlichkeit. »Schön, Sie zu sehen, William. Wie nett, dass Sie bei uns vorbeischauen. Wir wollten gerade einen Happen zu Mittag essen. Wollen Sie sich nicht zu uns gesellen?«
    Es war, als hätte ich die Feder eines Blechspielzeugs aufgezogen. Die eingesunkene Gestalt verfiel in einen Redeschwall. »Ich wäre nicht um diese Zeit gekommen, Mrs Emerson, aber ich weiß, dass der Professor es nicht schätzt, bei seiner Arbeit gestört zu werden, und ich hätte es auch nicht gewagt, Sie zu Hause aufzusuchen …«
    »Um Himmels willen, warum denn nicht? Emerson wird sich ebenfalls freuen, Sie wiederzusehen. Er ist unten in einem Grabschacht, ich werde ihn rufen.«
    »Nein, Ma’am, ich bitte Sie! Erst wenn ich Ihnen erzählt habe … ich würde lieber Sie fragen als den Professor, Ma’am. Sie können ihm alles erklären – wenn Sie so gut sein wollen.«
    »Erklären – was? William, nun fassen Sie sich doch endlich.« Er wirkte so schuldbewusst, dass ich mir die Frage nicht verkneifen konnte: »Haben Sie ein Verbrechen begangen oder stecken Sie in Schwierigkeiten mit der Antikenverwaltung?«
    »O nein, Mrs Emerson! Nichts dergleichen. Die Wahrheit ist … nun, Howard Carter erzählte mir, dass Sie jemanden suchen für … Und dann hörte ich, dass Ramses und Miss Nefret … Also dachte ich, dass Sie vielleicht …«
    Ich fühlte mich, als versuchte ich eine mir nicht geläufige Sprache zu übersetzen. Zum Glück verfüge ich über eine schnelle Auffassungsgabe. »Wollen Sie sich um eine Anstellung bei uns bewerben?«
    »Öh … ja.«
    »Warum?«
    »Äh …«
    »Unsere Minimalanforderung sieht vor, dass jeder bei uns Beschäftigte der englischen Umgangssprache mächtig ist«, warf ich ungeduldig ein. »Was ich gern erfahren würde, ist, warum Sie eine Anstellung suchen. Das Letzte, was ich über Sie gehört habe – denn ich habe ein reges Interesse an meinen Freunden und Bekannten, William –, war, dass Sie sich zum Militärdienst gemeldet haben sollen.«
    »Ich habe es versucht.« Er senkte den Kopf. »Sie wollten mich nicht nehmen. Das … das amtsärztliche Gutachten fiel …«
    Aus Feingefühl forschte ich nicht weiter. Jetzt meinte ich zu verstehen, wie der bedauernswerte junge Mann in seine gegenwärtige Lage geraten war. Ich hätte ihm die Wahrheit Wort für Wort abringen können, doch es erschien mir einfacher, meine eigenen Schlüsse zu konstatieren.
    »Sie fühlten sich entehrt und beschämt«, sagte ich. »Das ist sehr töricht, William, aber eine solche Reaktion ist charakteristisch für das männliche Geschlecht. Und darauf beschlossen Sie, Ihre Schmach im Alkohol zu ertränken, eine viel versprechende Karriere aufzugeben und sich in Selbstmitleid zu ergehen? Das ist wieder einmal typisch. Was sollte mich zu der Annahme verleiten, dass Sie sich geläutert haben?«
    »Nichts«, erwiderte William zerknirscht. »Aber wenn Sie mir eine Chance geben, schwöre ich Ihnen, dass ich mich beweisen werde.«
    In diesem ungünstigsten aller Augenblicke kam Emersons Kopf zum Vorschein. Er stand auf einer Leiter, der Rest

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