Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
Sie angehen auf Ihr Zimmer und ruhen sich aus.«
»Ich möchte nicht ausruhen«, sagte die junge Person.
»Ich bin nicht müde.«
»Dann helfen Sie Selim, etwas Essbares aufzutreiben.« Ich machte Selim ein Zeichen und nickte. Für gewöhnlich reichte das völlig aus, aber diesmal musste ich ihn anstupsen, da er mich keines Blickes würdigte. Seine aufmerksamen dunklen Augen hingen wie gebannt an Sethos.
»Verzeih mir, Sitt Hakim.« Er schrak zusammen. Ich wiederholte meinen Vorschlag. Er nickte gehorsam und brachte Esin dazu, ihn zu begleiten, indem er sie um die Einzelheiten ihrer gewagten Flucht aus dem väterlichen Haus bat. »So mutig«, hörte ich noch, als sie den Raum verließen. »So klug!«
Sethos wandte sich zu uns, in einer Hand die Flasche, in der anderen den Korkenzieher. »Berichte uns«, sagte er knapp.
»In der Stadt ist es ruhig«, hub Sir Edward an. »Sie haben weniger Schaden angerichtet, als ich dachte. Das Haus ist von mehreren Soldaten umstellt, und sie durchkämmen die Gegend, auf der Suche nach euch. Augenzeugenberichten zufolge habt ihr euch einfach in Luft aufgelöst, wie die Dämonen, für die man euch hält. Das Militär glaubt das allerdings nicht.« Er nahm das ihm von Sethos gereichte Glas und fuhr fort: »Sie sind sich noch nicht sicher, ob man euch gewaltsam entführt hat oder ob ihr aus freien Stücken flüchten konntet. Wie auch immer, sie wollen euch.«
Ramses nahm die Flasche von Sethos, der uns aus lauter Rücksichtnahme auf seinen Gefährten schlichtweg vergessen hatte, und schenkte Nefret und mir Wein ein.
»Was ist mit Gaza?«, drängte Sethos.
»Die Stadt ist bewachter als ein Gefängnis.« Sir Edward nippte genüsslich an seinem Wein. »Ich habe Kontakt zu einem unserer Burschen aufgenommen – Hassan.
Er hatte kurz zuvor versucht, auf dem gewohnten Weg in die Stadt zu gelangen, und dann unverrichteter Dinge kehrtgemacht. Sie halten jeden an.«
»Das Scheunentor verriegeln, nachdem der Gaul bereits geklaut ist«, grinste ich.
»Haha.« Emerson bedeutete Ramses, sein Glas zu füllen. »Irgendwas Neues von Sahin Pascha?«
Sir Edward schüttelte den Kopf, worauf Sethos zu bedenken gab: »Sie werden eine Weile brauchen, bis sie entschieden haben, wie sie mit ihm verfahren sollen. Das Vernünftigste wäre, ihn zu exekutieren und öffentlich zu verlautbaren, die brutalen Briten hätten ein Attentat auf ihn verübt.«
»Dann war das also dein Plan«, versetzte ich. »Du wolltest, dass es so aussieht, als hätte er sich des Verrats schuldig gemacht.«
»Anfangs hatte ich keinen Plan«, konterte Sethos.
»Mein Befehl lautete, ihn zu entfernen – ein hübscher kleiner Euphemismus, nicht wahr? Man lernt, sich unerwartete Entwicklungen zu Nutze zu machen. Wir hatten verdammt Glück. Alle miteinander.«
»Dazu gehörte mehr als bloß Glück«, meinte Ramses zähneknirschend. Sein Onkel verbeugte sich spöttisch vor ihm.
»Selim wird das Mädchen nicht lange ablenken können«, wandte ich ein. »Und ich möchte auf gar keinen Fall, dass sie erfährt, dass ihr Vater womöglich in Haft ist und ihm die Todesstrafe droht. Wir müssen uns überle gen, was mit ihr geschehen soll.«
»Ganz recht, Amelia«, sagte mein Schwager. »Du wirst sie mit nach Kairo nehmen müssen, und je eher, je besser.
Je eher ihr alle wieder in Kairo seid, desto besser.«
»Was ist mit dir?«, forschte ich. »Und Sir Edward?«
»Zerbrich dir wegen uns nicht den Kopf. Sobald es hell wird, möchte ich, dass ihr alle nach Khan Yunus zurückkehrt. Dann suchen sie nicht mehr hier in der Gegend nach euch und stoßen auf dieses Dorf, was mir verdammt ungelegen käme. Bereitet euch auf eure Abreise vor, und dann verschwindet aus Khan Yunus. Für das Mädchen müsst ihr euch irgendeine Geschichte einfallen lassen. Das Militär braucht nicht zu erfahren, wer sie ist, sonst behält man sie noch hier.«
»Als wenn ich eine Achtzehnjährige einem Trupp Soldaten überließe!«, entrüstete ich mich. »Was machen wir mit ihr, wenn wir in Kairo sind?«
»Ich nenne euch eine Adresse, wo ihr sie hinbringt.« Er spähte zu Ramses. »Merk sie dir und schreib sie um Gottes willen nicht auf.«
»Das war’s dann«, seufzte Emerson, der Selims und Esins Schritte vernahm. »Du hast uns alles gesagt?« Sethos ließ uns keine Gelegenheit für weitere Fragen.
Nach einem kärglichen Abendimbiss verschwand er mit Sir Edward, uns wies er an, unsere Siebensachen zu packen und uns auf einen zeitigen Aufbruch
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