Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
eigentlich sein sollten; Sie kommen aus der falschen Richtung. Haben Sie etwa die verdammte Frechheit besessen, mir diese Königinnengräber auszureden, um dann hinter meinem Rücken selber auf Entdeckungstour zu gehen?«
Der Rest der Männer strömte aus dem Tempel, gefolgt von Abu und Bertie. Letzterer eilte sogleich in unsere Richtung. Abu warf einen Blick auf Emersons zornesrotes Gesicht und auf die finstere Miene seines Arbeitgebers und machte sich diskret aus dem Staub.
»Guten Abend«, sagte Bertie, seinen Tropenhelm abnehmend. Im Eifer des Gefechts hatte Cyrus das glatt versäumt. Er bemerkte seine Unterlassungssünde sofort und bedachte mich mit einem ziemlich zerknirschten Blick. »Ich bitte um Verzeihung, Amelia, auch Sie, Miss Nefret. Schätze, ich hätte mich nicht so aufregen dürfen.«
»Aufregen?«, wiederholte Bertie. »Worüber denn? Liegt irgendwas an?«
»Nein«, sagte Ramses, während Nefret Cyrus’ Entschuldigung mit einem Lächeln quittierte. »Zwei so alte Freunde wie Cyrus und mein Vater würden sich nie ernsthaft über triviale Dinge streiten.«
Emerson grinste und kramte in seinen Hosentaschen. Jeder andere Mann hätte jetzt ein Taschentuch gesucht, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, aber Emerson spürt weder die Hitze noch findet er jemals sein Taschentuch. Er holte seine Pfeife hervor, betrachtete sie voller Genugtuung und startete eine erneute Suche nach seinem Tabaksbeutel.
»Nicht jetzt, Emerson«, wies ich ihn zurecht. »Wir müssen nach Hause.«
»Will die Sache erst noch aus der Welt schaffen«, grummelte Emerson. »Vandergelt hat ja irgendwie Recht. Vielleicht sollte ich darauf hinweisen, dass wir nicht auf der Suche nach neuen Gräbern waren, sondern uns lediglich die Prinzessinnengruft ansehen wollten.«
Das war zwar kaum Rechtfertigung, aber Cyrus wusste, dass es für Emerson schon ein enormes Zugeständnis war.
»Und, was haben Sie gefunden?«, wollte er wissen. »Sie werden es nie erraten«, sagte Emerson mit einem Augenzwinkern.
»Hör sofort damit auf, Emerson«, entfuhr es mir. »Wir werden Ihnen alles berichten, Cyrus, aber können wir nicht unterwegs weiterreden – oder, noch besser, warten, bis wir zu Hause sind, wo es gemütlicher ist?«
Cyrus bestand darauf, dass ich seine Stute Queenie nahm und Bertie bot Nefret sein Pferd an. Sie lehnte ab, aber Jumana, die seit der Entdeckung des Toten kaum zu Wort gekommen war, nahm schließlich dankend an. Cyrus und Emerson gingen neben uns her, und Letzterer gab Cyrus eine Zusammenfassung unserer Aktivitäten. Ich muss leider sagen, dass Cyrus’ erste Reaktion Belustigung war.
»Jedes Jahr eine weitere Leiche, wie Abdullah zu sagen pflegte«, schmunzelte er.
»Der Zynismus steht Ihnen nicht, Cyrus«, schalt ich scherzhaft. »Ein Mann ist tot – grausam ermordet.«
»Das weißt du doch gar nicht«, knurrte Emerson. »Und selbst wenn es so wäre, hat er es womöglich kommen sehen. Verschon uns mit deinen hanebüchenen Spekulationen, Amelia. Warte, bis wir diese Geschichte mit den anderen diskutieren können.«
Da man mir sozusagen den Mund verboten hatte, setzte ich meine Spekulationen mental fort.
Als wir unser Haus erreichten, war ich so weit, meine Argumentation schlüssig zu formulieren; indes stand Sennia auf der Veranda und beschwerte sich lautstark, sie wäre den ganzen Tag »allein« gewesen und hätte »nichts zu tun« gehabt. Natürlich konnten wir einen grausigen Leichenfund oder die unseligen Spekulationen nicht in ihrem Beisein erörtern.
»Warum wäschst du dir nicht Gesicht und Hände und ziehst eines deiner guten Kleider an?«, schlug ich vor. »Wie du siehst, sind Bertie und Mr Vandergelt mitgekommen; wir werden eine kleine Party feiern. Jumana, bitte sag Fatima, dass wir Gäste haben und – ähm – mach dich ein bisschen frisch.«
Mir war klar, dass Sennia sich wenigstens eine Viertelstunde lang herausputzen würde; sie war ein eitles kleines Geschöpf und liebte Geselligkeit. Weniger überzeugend war der Vorwand, unter dem ich Jumana weggeschickt hatte. Wir alle hatten dringend eine Säuberungsaktion nötig, aber mein Erfindungsreichtum versagte, und ich wollte nicht in ihrer Gegenwart über die Möglichkeit diskutieren, dass ihr Bruder ein Mörder sein könnte.
Selim ließ sich nicht täuschen. Sein Blick folgte der schlanken Silhouette des Mädchens, als dieses sich zurückzog. Dann schaute er zu mir. »Warum hast du sie weggeschickt?«
»Ihr Bruder ist in Luxor«, sagte
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