Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms
unzählige Fragen zu stellen, vor allem hinsichtlich des Wagens.
»Du hast keine Schuld«, erklärte Emerson, als er Selim ein paar Minuten besuchen durfte. »Sobald du wieder gesund bist, reparieren wir es. Bis dahin haben wir auch den für die Tat Verantwortlichen gefunden.«
»Daoud kümmert sich um deine Familie«, versetzte ich, »und wir auch. Mach dir keine Sorgen, werde nur gesund.«
»Die Exkavationen«, hob Selim an. »Ihr dürft nicht zulassen …«
»Mach dir auch deswegen keine Gedanken«, sagte Emerson. »Wir machen so gut es eben geht weiter, bis du deine Arbeit wieder verrichten kannst.«
Wohl wissend, wie schwierig es für einen Mann von Selims Energie sein musste, still liegen zu bleiben, arrangierte ich ein Zerstreuungsprogramm. Nach meiner Einschätzung eignete sich Emerson schwerlich für Krankenbesuche, aber Ramses und Bertie kamen jeden Tag, um von den Exkavationen zu berichten, und Sennia und Evelyn lasen ihm vor. Ich wusste, dass er auf dem Weg der Besserung war, als er Evelyn allen Ernstes bat, ihm aus einem Handbuch für Automechaniker vorzulesen. Werte Leser, denken Sie jetzt nicht, dass ich darüber meine anderen Aufgaben vernachlässigt hätte. Emerson grübelte niedergeschlagen über dem Schrottauto, das inzwischen im Hof stand. Selbst er räumte ein, dass daraus keine weiteren Rückschlüsse zu ziehen seien. Daoud organisierte eine neuerliche, intensivere Suchaktion nach Maryams erstem Angreifer und schleppte diverse schlotternde Fremde ins Haus, zwecks Konfrontation mit Maryam und Ramses. Keiner ließ sich als Täter identifizieren.
Zu behaupten, wir wären argwöhnisch gewesen, wäre schlichtweg Untertreibung. Fatima ging mehrmals täglich mit dem Besen durch beide Häuser, auf der Suche nach giftigem Getier. Kadija und zwei ihrer Töchter zogen bei uns ein, bewachten Selim und die Kleinen. Ich untersagte Emerson, allein ins Grabungsgelände zu gehen, was ihn zu wütendem Protest veranlasste – obschon er von mir das Gleiche verlangte. Das Ende vom Lied war, dass alle gereizt und unausgeglichen waren, vor allem die Kinder. Wir verpackten weiterhin Artefakte. Mit zunehmendem Widerwillen und Gefluche, wie Emerson mehrfach betonte. Lacau würde – zum Donnerwetter noch mal – zu warten haben, bis wir fertig wären, gleichwohl hatte ich meine Gründe, warum ich die Sache noch vor seiner Ankunft erledigt wissen wollte. Einer davon – ich gebe es offen zu – war, dass ich ihm das mit dem gestohlenen Schmuck keinesfalls auf die Nase binden wollte, die anderen natürlich auch nicht. Lacau verlangte sicher nicht, dass die umsichtig gepackten Kisten geöffnet würden. Er bekäme die entsprechenden Aufstellungen und würde diese bestimmt genauestens vergleichen, wenn er die Artefakte im Museum auspackte. Wenn er dann feststellte, dass mehrere Stücke fehlten … Harren der Dinge, die da kommen werden, wie die Heilige Schrift uns so weise empfiehlt. Wir würden gestehen, aber nur, wenn es nicht anders ginge – immerhin bestand noch eine geringe Chance, dass wir den Dieb und Mörder stellen könnten. Emerson brachte es auf den Punkt: Besser wir finden ihn, bevor er erneut zuschlägt.
Wenigstens lenkte uns das Packen ab. Alle halfen mit, auch Maryam. Sie ging behutsam mit den kostbaren Stücken um und zeigte reges Interesse daran.
»Hierbei brauche ich Hilfe«, sagte ich, auf eine bemalte Truhe weisend. »Ich weiß wirklich nicht, was wir da machen können. Ich habe sämtliches Verpackungsmaterial und einen Großteil der Watte aufgebraucht, trotzdem befürchte ich, dass die Roben in dieser Truhe bei der kleinsten Erschütterung zerfallen werden.«
»Was besagt die Inschrift?«
»Es handelt sich um eine Inhaltsangabe: Handschuhe, Sandalen, zwei Gewänder und ein paar andere Dinge. Ramses hat sie bereits kopiert und übersetzt. Er liest das Hieratische so problemlos wie Englisch.«
»Ich möchte gern mehr lernen, um Ihnen besser zur Hand gehen zu können. Ob er mir Unterricht geben würde?«
»Wenn Sie wirklich interessiert sind, lässt sich das einrichten«, lachte ich. »Mit ein paar Unterrichtsstunden ist es allerdings nicht getan. Sie haben sich bereits sehr nützlich gemacht, Maryam. Ich wollte Ihnen für Ihre Hilfe danken, vor allem mit den Kindern.«
»Ich möchte mich auch nützlich machen. Und ich liebe Kinder.« Kaum hörbar setzte sie hinzu: »Ich bin glücklich hier. Wenn ich wieder fort muss, werde ich sehr traurig sein.«
»Das dauert ja noch eine Weile. Sie müssen
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