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Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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vergebens.
    Ich werde ein bisschen ausruhen, entschied sie und sank vor die Wand. Ausruhen und nachdenken. Emerson, weichherzig und sentimental … Und eifersüchtig. Seine Eifersucht war dafür verantwortlich, dass er den Fall um Sethos konstruiert hatte. Seine Theorie hatte überzeugend geklungen, aber die Beweislast gegen Maryam war weitaus stärker. Sie verstand etwas von Tarnung, immerhin genug, um eine geistesschwache alte Frau zu täuschen und einen geltungssüchtigen Mann zu verführen. Maryams Mutter war tief in die Machenschaften der Unterwelt verstrickt gewesen. Bertha hatte sogar ihre eigene Bande gegründet, eine kriminelle Organisation von Frauen. Prostituierte anzuwerben, war eine von Berthas glorreichen Ideen gewesen; diese ausgenutzten, misshandelten Geschöpfe lieferten ihr auf einzigartige Weise Informationen, die sich für Erpressungen oder Morde nutzen ließen. Was war aus jenen Frauen geworden? Frauen wie Layla, die sich letztendlich von ihrer Anführerin abgekehrt und Ramses das Leben gerettet hatte, oder Berthas Adjutantin, die, stark und kräftig wie ein Mann, ihrer Bandenchefin bei etlichen Gesetzesübertretungen zur Seite gestanden hatte?
    Die Episoden waren Teil der Familienlegende geworden, immer wieder erzählt, wildromantisch und mit der Zeit mehr und mehr ausgeschmückt. Manche Geschichten rankten sich um Sethos in seinen ungeläuterten Jahren und um Bertha, die Sethos’ Geliebte geworden war, nachdem sie einen Mann namens Schlange verlassen hatte … auch einer der zahllosen Feinde ihrer Eltern … es war eine lange Liste …
    Ihr Kopf sackte unvermittelt vornüber, und sie schrak aus ihrem Wachtraum. Das Atmen fiel ihr schwer. Schlucken war unmöglich. Die Luft im Raum war verbraucht, nichts als Finsternis und Hitze, sie hatte fürchterlichen Durst. Sie würde einen Becher von dem Wasser trinken müssen oder in einen Dämmerzustand fallen, der zum Tode führen konnte. Vielleicht wollten sie genau das: keinerlei Hinweise auf Gewalteinwirkung an ihrem Körper.
    Unmöglich, sich selbst mental auf einen Körper zu reduzieren, auf ein Ding ohne Verstand und Gefühl, oder sich überhaupt vorzustellen, dass das Leben auch ohne einen weiterging. Zerrissen vor Kummer dachte Nefret an ihre Kinder. Aber sie waren noch so klein und wurden liebevoll umsorgt; in ein paar Jahren wäre sie nichts weiter als ein Gesicht auf einem Foto. Ramses würde sie niemals vergessen, genauso wenig wie sie ihn. Trotzdem würde es andere Frauen geben. Sie konnte von ihm nicht verlangen, dass er enthaltsam blieb. Ramses würde wieder heiraten, wenn auch nur der Kinder wegen.
    Der Gedanke, dass er eine andere umarmen und küssen könnte, gab ihr wieder neue Energie. Wenn er das tut, komme ich zurück und suche ihn heim, schwor sie sich. Genau wie die Frau, die ihren Mann über den Tod hinaus gepiesackt hatte.
    Sie kroch längs der Wand, tastete nach dem Wasserkrug. Schließlich fand sie ihn – zerbrochen am Boden in einer Wasserpfütze.
    Sie legte sich bäuchlings hin und schlürfte das abgestandene, schmutzige Nass, als es unvermittelt hell wurde. Sie stützte sich auf die Ellbogen und drehte den Kopf. Die wenigen Tropfen Wasser halfen, ebenso wie die kühle, frische Abendluft, die hereinströmte. Das Licht schmerzte ihre Augen. Sie gewahrte lediglich einen Schatten, der reglos im Türrahmen verharrte. Dann wurde der Lichteinfall stärker, erhellte goldene Locken. Sie wollte etwas sagen, stattdessen krächzte sie wie ein Rabe.
    »Hallo, schöne Mrs. Emerson«, sagte die klare, helle Stimme. »Möchten Sie jetzt herauskommen?«

    Es war bereits dunkel, als der Zug unter fröhlichem Rattern und Pfeifen in Luxor einlief. Mittlerweile hatte ich eine starke persönliche Abneigung gegen den Zug entwickelt, so als würde er mich vorsätzlich ärgern wollen. Ich fieberte förmlich darauf, Emerson mitzuteilen, dass ich den Fall gelöst hatte.
    Sobald der Bahnsteig in Sicht kam, spähte ich trotz Rauch und Staub aus dem Fenster. Ich rechnete fest damit, Emerson unter den Wartenden zu entdecken, die Hände in die Hüften gestemmt, seine Miene düster. Vergebens hielt ich nach seiner unverwechselbaren Gestalt Ausschau. Stattdessen holte uns jemand anders ab. Als er mich sah, winkte er und rannte neben dem Wagon her.
    »Es ist David«, rief ich. »Wieso hat Emerson ihn geschickt und ist nicht selber gekommen?«
    Ramses schaute aus dem Fenster. »Er hat irgendwas auf dem Herzen. Sein Gesicht gefällt mir gar nicht, Mutter.

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