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Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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abrupten Bewegung packte Ramses (wie der werte Leser bereits erkannt hat, war mein Sohn einer der Mit-Streiter) sein Gegenüber und drehte ihm den Arm auf den Rücken. Sein Gegner war ein massiger, dunkelhaariger Bursche, der vor Wut oder Schmerz die Zähne entblößte. Der dritte Teilnehmer lag am Boden, offenbar bewusstlos.
    Er war noch ein halbes Kind, schmal und schmächtig, mit einem Anzug bekleidet, der nur von einem britischen Schneider stammen konnte. Seine Kappe war zu Boden geglitten. Goldblonde Wimpern überschatteten seine Wangen, goldene Locken umrahmten sein Gesicht. Er erinnerte an einen gefallenen Engel, niedergestreckt von einem teuflischen Widersacher. Der andere Mann hatte tatsächlich etwas Diabolisches an sich, sein Gesicht dunkel vor Zorn, seine Muskeln gebläht, während er sich in Ramses’ Umklammerung wand.
    »Lassen Sie mich los, Sie Idiot«, brüllte er. »Lassen Sie mich zu ihm.«
    »Halt ihn fest, Ramses«, befahl ich.
    »Das habe ich auch vor, Mutter. Sie haben miteinander gekämpft, und dann hat dieser Kerl den Jungen niedergeschlagen. Ist er ernsthaft verletzt?«
    »Ich kann keine Verletzungen oder Prellungen feststellen«, rief Nefret. Sie stand über den Jugendlichen gebeugt und öffnete seinen Hemdkragen, als sich seine goldenen Wimpern hoben und himmelblaue Augen enthüllten. Ein verträumtes Lächeln umspielte die wohlgeformten Lippen. »Sie sind sehr hübsch«, murmelte er, Nefrets Hand fassend. »Sind Sie ein Engel oder eine Göttin? Die ägyptischen Göttinnen hatten dunkles Haar …«
    »Eine Freundin«, sagte Nefret sanft. »Ich passe auf Sie auf.«
    »François passt auf mich auf.« Forschend streifte sein Blick die Umstehenden. »Wo ist er? Wo ist mein guter François?«
    »Hier, junger Herr, hier.« François, denn das Lächeln des Jungen wies ihn als ebendiesen aus, hatte kapituliert. Sein Körper entspannte sich, das Gesicht verlor an blindwütiger Entschlossenheit. Es wurde beileibe nicht anziehender; er hatte eine Hakennase, eine breite Narbe am Mund. Die stark fliehende Stirn wertete man in Polizeikreisen als Hinweis auf eine kriminelle Natur, seine untere Gesichtshälfte war völlig unproportioniert, mit vorstehendem Kinn und breitem Kiefer. »Lassen Sie mich zu ihm«, drängte er. »Monsieur, s’il vous plait – je vous en prie …«
    »Anscheinend haben wir die Situation falsch beurteilt«, bemerkte ich. »Lass ihn los, Ramses.«
    Der Mann kniete sich neben den Halbwüchsigen und half ihm behutsam auf die Beine, sein fürsorgliches Verhalten ein krasser Gegensatz zu der früheren Aggressivität. »Wir gehen jetzt nach Hause«, murmelte er. »Komm, mein junger Herr. Geh mit François.«
    »Ja.« Der Junge nickte. »Aber zuerst muss ich die Namen dieser neuen Freunde wissen und mich ihnen vorstellen. Ich bin Justin Fitzroyce. Und Sie, schöne Dame?«
    Nefret und auch mir schwante bereits die traurige Wahrheit. Sie sprach mit ihm wie mit einem Kind, und wie ein wohlerzogenes Kind gab er uns die Hand, als Nefret uns vorstellte. »Ich hoffe, ich werde Sie wieder sehen«, sagte er sanft. »Werden Sie mich einmal besuchen?«
    »Gern«, antwortete ich. »Wo wohnen Sie denn?«
    François, sein Arm stützte den »jungen Herrn«, nickte zum Fluss. »Auf der Dahabije Isis. Wenn Sie mir nicht glauben, können Sie mit meiner Chefin sprechen.« Sein eben noch fürsorgliches Gesicht verdunkelte sich erneut, und er funkelte Ramses an.
    »Das ist nicht nötig«, versetzte ich.
    »Doch! Sie müssen kommen. Meine Ehre wurde angezweifelt. Sie wird Ihnen alles erzählen.«
    »Tut mir Leid«, hob mein Sohn an.
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, sagte ich entschieden. »François wird gewiss verstehen, dass ein Außenstehender sein Verhalten falsch einschätzen kann und demzufolge meint, den Jungen verteidigen zu müssen.«
    Ein knappes Nicken war die einzige Reaktion von François, der Junge hingegen strahlte und winkte, als sein Diener ihn wegführte.
    »Wie traurig«, seufzte mein geliebter, weichherziger Emerson. »Der Junge leidet sicher unter irgendwelchen Anfällen. Sein Diener musste ihn außer Gefecht setzen, sonst hätte er sich noch selbst verletzt.«
    »Möglich«, meinte Nefret. »Solche Patienten verfügen über eine enorme Körperkraft. Aber eigentlich sind Epileptiker nicht bösartig.«
    »Nein«, pflichtete ich ihr bei. »Man sollte doch meinen, dass François um den Zustand seines jungen Herrn weiß und von daher weniger brutal mit ihm umgeht. Gütiger

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