Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels
Angetrauter.
»Dieser kleine Abstecher wird das Publikum ablenken, ganz zu schweigen von den Wachen. Inzwischen können Selim und Daoud ihre Aufgabe erledigen und wir knöpfen uns noch einmal Captain Moroney vor. Zu irgendwas muss der Bursche doch gut sein.«
»Hmpf«, machte der Professor.
Also flanierten wir seelenruhig über die Prachtstraße und winkten den Passanten zu. Einige ruderten mit den Armen, ein ums andere Mal kam mir das Wort »Fliegen« zu Ohren. Demnach war die Nachricht von Darias mysteriösem Verschwinden bereits in Umlauf. Bemerkenswert, dass nicht wenige Leute, statt ihren gesunden Menschenverstand einzusetzen, lieber irgendeinen unrealistischen Unfug glauben.
Auf ein vorher verabredetes Zeichen hin schnellten Emerson und ich zackig wie zwei Gardesoldaten herum und liefen den Weg zurück, den wir gekommen waren. Eigentlich hätte unseren Bewachern diese Taktik inzwischen geläufig sein müssen, indes lamentierten sie herum und standen sich gegenseitig im Weg, bis sie sich schließlich entschlossen, die Verfolgung aufzunehmen. Gottlob folgte uns der ganze Tross, während Selim und Daoud unbewacht mit der Kamera zurückblieben.
»Die Disziplin lässt hier einiges zu wünschen übrig«, krittelte ich.
»Spar dir den Atem«, riet Emerson. Er hakte mich unter und beschleunigte.
Nach unserem ersten Besuch hatte Merasen sein Wachbataillon verstärkt; Emersons launige Begrüßung blieb ohne Resonanz bei dieser Meute; zwei von ihnen schob er buchstäblich mit Brachialgewalt aus dem Weg. Die Empfangshalle war menschenleer. Mein Angetrauter lief unbeirrt weiter zu der Tür, die zu Merasens Schlafzimmer führte, und zerrte den Vorhang beiseite.
Wir erwischten ihn eiskalt, zwar nicht in flagranti, aber doch beinahe. Er sprang vom Bett auf und warf sich notdürftig einen Umhang über. Die beiden jungen Frauen schienen unschlüssig, ob sie sich unter der Bettdecke verkriechen oder Fersengeld geben sollten. Stattdessen fingen sie an zu kreischen.
»Bitte vielmals um Verzeihung«, rechtfertigte sich Emerson scheinheilig. »Wir suchen unseren Freund Captain Moroney.«
»Er ist nicht hier.« Merasen klang etwas verschnupft, während er sich hektisch den Rock um die Taille band.
»Das sehe ich auch«, meinte Emerson. »Ich bin dafür, dass wir uns in die Empfangshalle zurückziehen und die Damen – ähm – nicht länger stören.«
Er bedachte die beiden jungen Frauen mit einem ungemein gewinnenden Lächeln, worauf diese unvermittelt das Kreischen einstellten und stattdessen seine beeindruckende Gestalt begutachteten.
Nachdem ich die Situation mit einem kurzen Kennerblick eingefangen hatte, drehte ich mich höflich um und tat so, als würde ich mir die hübsch gemalten Reliefe auf den Säulen anschauen. Schließlich winkte Merasen Emerson aus dem Zimmer.
»Das geht entschieden zu weit.« Merasens Stimme klang eine volle Oktave höher als sonst. »Dafür hätte ich Euch umbringen können.«
»Ich habe mich entschuldigt«, verteidigte sich Emerson.
Da ich ihr Geplänkel für Zeitverschwendung hielt, schaltete ich mich rigoros ein. »Eure Drohungen führen zu nichts, Merasen, und das wisst Ihr auch. Wenn Ihr weiterhin an diesen Waffen interessiert seid, solltet Ihr mit uns kooperieren. Wo ist Captain Moroney?«
»An einem Ort, wo Ihr ihn niemals findet.« Langsam wich die Zornesröte aus Merasens Gesicht. »Ich habe ihn gut behandelt und ihm Gold angeboten im Gegenzug für ein paar kleine Gefälligkeiten, aber er war mir ein bisschen zu eifrig mit seinen Zusagen. Deshalb habe ich ihm nie vertraut und jetzt brauche ich ihn nicht mehr. Ihr besorgt mir die Waffen, bis dahin bleibt sie in meiner Gewalt.«
»Aha«, sagte Emerson. »Und danach? Ist sie dann frei in ihren Entscheidungen?«
»Sie kann tun, was ihr beliebt. Vielleicht – wer weiß? – möchte sie hier bleiben – bei mir.«
Emerson ballte die Hände zu Fäusten. Es fehlte nicht viel und ich hätte dem jungen Mann das feixende Grinsen aus dem Gesicht geschlagen, aber ich hütete mich. Und ich trat Emerson auf den Fuß, eine sanfte Ermahnung, dass er Ruhe bewahren sollte. Es war zwecklos, mit Merasen zu verhandeln. Er hatte gar nicht die Absicht, Nefret gehen zu lassen. Wenn sie nicht freiwillig bei ihm blieb – wovon dieser eitle Einfaltspinsel vermutlich überzeugt war – würde er zu anderen Mitteln greifen.
»Dann lasst uns über die Waffen reden«, wechselte ich das Thema. »Wie bald können wir abreisen?«
»Sobald ihr euren Part
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