Amelia Peabody 17: Die Schlangenkrone
alle aufgegessen, Oma.«
Nicht alle. Einige blieben liegen, weil unvermittelt der Hund hinter der Tür auftauchte, sich auf die Hinterbeine stellte und erwartungsvoll durch das Fliegengitter spähte. Carla wollte schon begeistert zu ihm laufen, doch Nefret sagte scharf: »Runter, Amira. Carla, sie darf hier nicht rein.«
Die Hündin gehorchte. Carla dagegen machte sich an der Türverriegelung zu schaffen, die gottlob immer verschlossen ist.
Ramses nahm sie gegen ihren Protest auf den Arm. »Du hast gehört, was deine Mama gesagt hat. Wie kommt der Hund überhaupt hierher? Ich habe Amira doch heute nachmittag an einen Pfosten gebunden.«
Sie hatte das Seil zerrissen. Ein ausgefranstes Ende baumelte ihr am Hals. Glücklich über die unerwartete, ihr zugedachte Aufmerksamkeit öffnete Amira die Lefzen und hechelte aufgeregt mit ihrer langen rosafarbenen Zunge. Ein ziemlich unappetitlicher Anblick.
»Bring sie weg«, sagte ich. »Carla und David John, ihr beide macht euch jetzt fertig fürs Abendessen und fürs Zubettgehen.«
»Anbinden ist zwecklos«, seufzte Nefret. »Amira läuft nicht weg. Sie folgt den Zwillingen überallhin.«
Sie nahm die Kinder bei der Hand, und als sie die Tür passierten, trottete der Hund wie selbstverständlich hinter ihnen her.
»Deine Idee mit dem Wachhund war eine gute Entscheidung«, räumte ich ein. »So, und jetzt erzähl mal, was heute nachmittag passiert ist.«
»Warte, bis Nefret wieder hier ist. Im übrigen bin ich heute mit einem interessanten Burschen zusammengekommen –«
Nefret kehrte zurück, und er brach ab.
»Hat Mutter dir schon die Post gezeigt?« erkundigte sie sich.
Ich nahm eine Mitteilung aus dem überquellenden Postkörbchen. »Man bietet uns fünfhundert Pfund für einen Artikel über Mrs. Pethericks Verschwinden und den Fluch der goldenen Statue.«
»Kein schlechtes Angebot«, grinste Ramses. »Von wem stammt es?«
»Von Kevin O’Connell natürlich. Die Times hat nur dreihundert geboten und der Daily Mirror schlappe zweihundertfünfzig.«
»Irgendwelche Neuigkeiten?« fuhr Nefret sachlich fort.
»Ich war gerade dabei, Mutter von dem Typen zu erzählen, den ich heute kennengelernt habe. Ein gewisser Michail Katschenowsky. Sein Spezialgebiet sind demotische und hieratische Schriften. Vor dem Krieg hat er einige hervorragende Artikel publiziert.«
»Wie schön für dich.« Ich lächelte. »Ihr habt euch sicher angeregt unterhalten. Arbeitet er für Mr. Winlock?«
»Ich glaube nicht, daß der ihn offiziell eingestellt hat. Ehrlich gesagt sah er ein bißchen abgerissen aus.«
»Vielleicht hat er Interesse an einer festen Anstellung«, warf Nefret ein.
»Vater wäre bestimmt nicht einverstanden«, gab Ramses halb bedauernd zurück. »Er würde zu Recht behaupten, daß wir keinen weiteren Übersetzer brauchen.« Er leerte seine Teetasse und sagte dann ziemlich abrupt: »Ich habe auf dem Nachhauseweg Miss Petherick getroffen.«
Nefret schwieg. Ich nickte bekräftigend, und Ramses fuhr fort: »Sie hat sich für ihr Verhalten neulich entschuldigt, die Unschuld ihres Bruders beteuert und diesbezüglich um unsere Unterstützung gebeten.«
»Und was hast du ihr gesagt?« bohrte Nefret.
Ramses zuckte die Schultern. »Ich war höflich und unverbindlich.«
»So?« Nefret kniff argwöhnisch die Augen zusammen. »Du hast Mitleid mit ihm. Das kann ich nachvollziehen; seine schrecklichen Kriegserfahrungen sind ein bleibendes Trauma. Das heißt aber nicht zwangsläufig, daß er ein unbeschriebenes Blatt ist. Und ich nehme an, daß Miss Petherick sehr überzeugend sein kann, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat.«
»Worauf willst du eigentlich hinaus?« wollte Ramses wissen.
Ich tippte auf Eifersucht, denn mein Sohn kam bei Frauen blendend an.
Aber diesmal hatte ich mich getäuscht, denn Nefret legte lachend die Arme um Ramses’ Nacken. »Ach, vergiß es, Schätzchen. Die Frauen finden dich eben unwiderstehlich, was soll’s!«
»Soso.« Grinsend schlang er einen Arm um ihre Schultern und zog sie auf seinen Schoß.
»Dein Vater kommt morgen zurück. Soll er sich doch um die Pethericks kümmern.« Ich lächelte wohlwollend. »Holen wir ihn vom Bahnhof ab?«
»Auf gar keinen Fall«, entschied Ramses mit Nachdruck. »Dann hätten wir sämtliche Journalisten am Hals, und Vater könnte ihnen vermutlich gar nicht mehr entwischen.«
»Sie erfahren es sowieso«, prophezeite ich. »Emerson ist nicht zu übersehen.«
Emersons Ankunft am nächsten Morgen war
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