Amelie und die Liebe unterm Regenschirm
war eingeschlafen.
Bartenberg betrachtete sie entzückt. »Keine Antwort? Gut, ich frage nicht weiter. Aber ich bestehe darauf, dass wir uns wiedersehen. Sie tun mir nämlich gut, Sie durch und durch österreichische Amelie Lenz.«
Er streckte ihr beide Hände entgegen. »Halten Sie sich fest, und stellen Sie sich auf meine Schuhspitzen.« Er ergriff ihre Hände und zog sie mit einem Ruck in die Höhe. Sein Körper war nah an ihrem, sie spürte seine Wärme. »Ich verfolge ein Ziel«, sagte Bartenberg leise, aber bestimmt.
Sie sah ihn an und gleich wieder weg, entzog ihm ihre Hände und bückte sich nach der Thüringer Puppe, um ihre Verlegenheit zu verbergen. Er schwieg. Sie schielte in seine Richtung und sah, dass er in sich hinein lachte. »Ein Ziel?«, fragte sie gedehnt.
Bartenberg sah sich um, als müsse er das angekündigte Ziel erst suchen und es in diesem Raum hier finden. Sein Blick fiel auf August, der in seinem Stühlchen lümmelte.
»Der Bär«, sagte er. »Ich möchte ihn haben. Vor allem seit ich weiß, dass er August heißt.« Er lächelte in Amelies verdutztes Gesicht. »Mein Urgroßvater hieß nämlich August. Ein außergewöhnlicher Mann, irgendwann werde ich Ihnen seine Geschichte erzählen.«
Amelie schüttelte den Kopf, als könne sie die Situation, in der sie sich befand, nicht begreifen. »August ist nicht zu verkaufen«, sagte sie matt.
Bartenberg nahm seinen Schal, den er beim Eintreten über den Stuhl geworfen hatte. »Ich werde Ihnen so lange zusetzen, bis Sie mir den Bären überlassen. Ich will ihn bei mir haben. Ich weiß genau, wo er wohnen wird.« Es klang geheimnisvoll, wie er das sagte.
Amelie wurde neugierig und beging den Fehler, »wo denn?« zu fragen.
Als wäre es das Stichwort, auf das er gewartet hatte, ergriff Bartenberg ihre Hand und machte Anstalten, sie mit sich zu ziehen. »Kommen Sie mit mir, Amelie«, murmelte er. »Jetzt gleich. Kommen Sie mit mir, und ich werde es Ihnen zeigen.«
14
Sie war nicht mit ihm gegangen, selbstverständlich war sie nicht gegangen. Eine blöde Situation war das gewesen. Ziemlich schräg. Irgendwie abgehoben. Vorgänge wie diese fand Amelie aufwühlend und war überzeugt, dass sie in ihrer derzeitigen Lage nichts weniger brauche, als aufgewühlt zu werden.
Sie fragte sich, wie Bartenberg den Ausgang seines Besuches bei »Altes Spielzeug – Amelie Lenz« beurteilen mochte. Immerhin hatte sie ihm auf sein Drängen hin ihre Hand entrissen und barsch bemerkt, dass sie sein Verhalten kindisch finde. Worauf er, »wenn Sie das so sehen…«, gemurmelt hatte, sich kurz verbeugte und eh sie sich’s versah verschwunden war.
›Er muss sich blöd vorgekommen sein, ein stolzer Mensch wie er, wahrscheinlich ist er jetzt beleidigt. Gekauft hat er auch nichts. Den sehe ich so bald nicht wieder.‹ Gedanken wie diese gingen ihr beharrlich durch den Kopf. Sie war ziemlich sicher, dass sie auf kurzweilige Begegnungen mit Bartenberg dem Jüngeren in Zukunft würde verzichten müssen. Indes, zwei Tage später erschien er neuerlich im Laden.
Er war nicht im Geringsten befangen. Mit selbstironischem Grinsen kam er auf sein Outing zu sprechen und dass er darüber total vergessen habe, weshalb er eigentlich gekommen sei. Als Amelie in unbewuss ter Defensive die Schultern hochzog, lächelte er spöttisch und versicherte ihr, dass er ausschließlich da sei, um das Versäumte nachzuholen, und Spielzeug kaufen wolle.
»Wofür?«, fragte Amelie störrisch.
Als er ihr keine Antwort gab, zuckte Amelie die Achseln und öffnete demonstrativ sämtliche Schränke.
Bartenberg betrachtete die Ware, ließ sich die Stücke ihrer Herkunft und ihrer Seltenheit nach von Amelie erklären und fragte nach den Preisen. Was er in engere Wahl zog, stellte er beiseite. Schließlich entschied er sich für einen hölzernen Vogel, der mit Hilfe des Blasebalgs, auf dem er hockte, Kuckuck rufen konnte, für eine Kinderzither, für ein hölzernes Pferd zum Nachziehen und einen prächtigen Hahn aus Gröden, zwei Metamorphosen aus dem frühen 19. Jahrhundert und ein paar ausgesucht schöne alte Murmeln.
»Den bitte nicht, den habe ich für einen Kunden reserviert«, wehrte Amelie ab, als Bartenberg einen gut erhaltenen Anker-Baukasten zur Seite stellen wollte.
»Falls Ihr Kunde ihn nicht nimmt, möchte ich ihn gerne haben.« Der ruhige, sachliche Ton, den er während des Verkaufsgesprächs an den Tag gelegt hatte, war Amelie angenehm gewesen, sie hatte das Gefühl, endlich
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