Amelie und die Liebe unterm Regenschirm
Abendessen im Salettl an. Amelie solle nicht kochen, er werde Dosensuppe und Aufschnitt mitbringen. Pünktlich zur besprochenen Zeit fegte er herein, lud das Mitgebrachte in der Küche ab und nahm Amelie in Augenschein.
Sie hatten sich längere Zeit nicht gesehen. Uli war mit Ludwig in der Schweiz gewesen, um eine neue Produktion am Zürcher Schauspielhaus zu besprechen. Und Amelie war vollauf mit dem Untergang von »Altes Spielzeug – Amelie Lenz« beschäftigt gewesen.
»Äußerlich hast du es bisher bestens überstanden. Wenn ich nicht wüsste, dass du dich grämst, würde ich sagen: Sorgen bekommen dir. Du bist hübscher denn je, mein Hühnchen.« Uli hielt Amelies Schultern umfasst und betrachtete sie vom Scheitel bis zur Sohle.
»Selbst wenn es so wäre, hätte ich nichts davon, einsam wie ich bin«, meinte sie elegisch und rieb ihre Wange an seiner Hand. Dann musterte sie ihn ihrerseits. Sie wusste, dass er auf ihren Kommentar zu seinem Aussehen wartete. »Rank, schön, silbergrau meliert – das Alter steht dir gut, mein Hähnchen«, neckte sie ihn und entwich seinen zausenden Händen mit einem spitzen Schrei Richtung Küche. Uli folgte ihr.
»Biwak oder Tafel?«, fragte sie.
Biwak hieß Essen ohne Aufwand. Tafel hieß sorgfältig gedeckter Tisch. Er entschied sich für Biwak.
Sie aßen am gläsernen Tisch im Wohnraum. Uli erzählte von den Zürcher Verhandlungen. Er werde nächste Saison wieder im Doppelpack mit Ludwig arbeiten. Ja sicher, die Aufgabe sei interessant, aber im Grunde nichts Neues. »Es wird immer so weitergehen. Ich bin und bleibe Ludwigs Anhängsel. Mit Glück rutsche ich alle heiligen Zeiten als ›Solist‹ in eine Inszenierung. Das ist auch schon alles.« Es hörte sich kleinmütig an.
»Versündige dich nicht, mein Alter«, mahnte Amelie. »Du hast deinen Lebensmenschen, du hast Erfolg, du kriegst gute Kritiken und verdienst genügend Kohle, um ein höchst komfortables Dasein zu führen. Was willst du noch?«
»Was Neues«, seufzte Uli theatralisch. »Eine Aufgabe. Totalen Einsatz für etwas Einmaliges… für ein Kind!«
Amelie war perplex. »Du machst Witze! Wie soll denn das gehen?« Sie forschte in seinem trotzigen Gesicht. Es sah fast so aus, als meinte er, was er sagte. Behutsam tastete sie sich voran. »Du würdest tatsächlich… eines adoptieren wollen?«
Uli zuckte die Achseln. »Wäre wohl in unserem Fall die einzige Möglichkeit, oder? Kannst du dir vorstellen, dass Ludwig mitziehen würde?«
Amelie versuchte, sich vorzustellen, wie Ludwig auf ein derartiges Ansinnen reagieren würde, und sagte entschieden: »Nie und nimmer!«
Uli ließ den Kopf hängen. ›Midlife crisis‹ , sagte sich Amelie, ›der arme Hund steckt in einer midlife crisis.‹ Sie suchte den passenden Ton zwischen locker und ernsthaft zu erwischen. »Nimm’s mir nicht übel, mein Hähnchen, aber irgendwie sehe ich dich nicht als Mutter-Vater-Verschnitt. Fläschchen wärmen, stinkende Windeln wechseln, nächtelang nicht schlafen, weil der Wurm Blähungen hat und schreit. Oder schreit, weil er zahnt. Oder schreit, weil er etwas will und du nicht verstehst, was er will. Und wenn er erst einmal rennt und eure gepflegte Wohnung ins Chaos stürzt…«
Uli verzog das Gesicht und hielt sich die Ohren zu. »Hör auf, du Bestie!« Mit spitzen Fingern griff er sich eine süßsaure Gurke und wedelte damit vor Amelies Gesicht. »Gut, ich verzichte, wenn du dafür eins kriegst. Lass dir ein möglichst hübsches Baby machen. Du darfst es säugen und putzen und wickeln, ich mache killekille und fahre es spazieren. Und wenn es groß ist, verwöhne ich es nach Strich und Faden, und niemand kann mir das vorwerfen, weil ich ja bloß der Onkel bin.«
»Hübscher Gedanke«, sagte Amelie lachend. »Was ich zum Kinde bräuchte, wäre ein Vater. Aber ein solcher ist weit und breit nicht in Sicht.«
»Nein?«, fragte Uli interessiert.
»Nein!«, erwiderte Amelie bestimmt. »Im Übrigen habe ich jetzt andere Sorgen.«
Sie begannen, über das Geschäft zu sprechen. Uli bot ihr seine Hilfe an. Er könne schleppen, Sachen aufbewahren, Wege erledigen. Amelie dankte, wenn nötig, werde sie darauf zurückkommen, im Übrigen sei die neue Mieterin des Ladens unglaublich kooperativ. Sie war dabei, Uli die Schmuckdesignerin zu schildern, als das Telefon klingelte. Es war Daniel Bartenberg.
Seit dem Mittag im Schwarzen Kameel hatte sie ihn nicht mehr gesehen, aber er hatte täglich einmal angerufen. Zu den verschiedensten
Weitere Kostenlose Bücher