Amelie und die Liebe unterm Regenschirm
gar nicht mir.«
Da verlor Gregor die Beherrschung. »Na, wenn schon«, zischte er und drängte sie auf die Matratze. Er wurde nicht grob, er gebrauchte keine Gewalt. Letzteres hätte er auch nicht nötig gehabt. Amelie ließ sich von seiner Wildheit mitreißen. Und als es vorüber war, hasste sie sich da für.
Der nächste Tag war ihr letzter gemeinsamer Ferientag. Sie blieben am Pool und hatten einander nichts zu sagen. Amelie zählte die Stunden bis zu ihrer Abreise. Sie packte, stellte die Klimaanlage an und war finster entschlossen, der Matratze zu entkommen und im Bett zu schlafen. Ihre Hoffnung, dass Gregor die letzte Nacht ungenützt verstreichen lassen würde, erfüllte sich. Er blieb bis lange nach Mitternacht an der Bar, und als er endlich heraufkam, schlich er auf Zehenspitzen an ihrem Bett vorbei.
Am nächsten Morgen nahmen sie gemeinsam ein Taxi zum Flughafen. Gregors Flug wurde zuerst aufgerufen. Er umarmte sie flüchtig und murmelte, er würde in Wien anrufen, sobald seine Situation in Mailand sich geklärt habe. Sie nickte, dankte ihm nicht für die Woche und atmete auf, als er verschwunden war. Erst als sie im Flugzeug saß, fiel ihr ein, dass Gregor ihren Flug nun doch nicht bezahlt hatte.
Auch in Wien herrschte Sommerhitze. Mitte August, die Stadt schien ausgestorben. Gregor meldete sich nicht. Amelie hätte nicht zu sagen gewusst, ob sie das bedauerte. Sie wusste nicht einmal, ob sie darauf wartete. Sie ging umher wie eine Somnambule. Sie war erschöpft statt erholt. Ihr war, als wäre sie ein Jahr weg gewesen. Oder in einem schlechten Traum hängen geblieben.
In der letzten Augustwoche rief Lorenz an. Er habe sich auf Bitte von Josef Lenz die Zahlen von Amelies Laden angesehen, die seien eher besorgniserregend, es müsse irgendetwas geschehen, er werde Anfang September nach Wien kommen, um Tacheles mit ihr zu reden. Amelie verspürte Panik. Ihr war, als drohe ein galaktisches Loch ihre gesamte vertraute Welt zu verschlingen. In ihrem Privatleben herrschte bereits Chaos, drohte nun auch der materielle Ruin? Letzterem wenigstens wollte sie sehenden Auges entgegentreten. Sie hatte das dringende Bedürfnis, sich mit jemandem zu beraten, rief Burgi Wechsler an und bat sie um ein Gespräch.
Auf Burgi war Verlass. Schon am nächsten Abend tauchte sie im Salettl auf. Sie war braun gebrannt und vergnügt und freute sich auf den Herbst.
Amelie war in der Küche gewesen, um kalten Apfelsaft zu holen. Als sie hereinkam, sah sie Burgi über den Tisch gebeugt.
»Urlaubsfotos?«, fragte sie und deutete auf die Aufnahmen, die Amelie – gegen ihre sonstige Gewohnheit – in Bodrum gemacht und eben vom Entwickeln geholt hatte. Amelie nickte. »Darf ich?«, Burgi begann zu blättern.
»Jesus, der Freytag!«, rief sie plötzlich und starrte auf ein Foto, das Gregor in seiner schicken Badehose am Pool zeigte.
Innere Abwehr, Amelie versteifte sich. »Du kennst ihn?«, fragte sie kühl.
Burgi grinste. »Na und ob ich den kenne«, schnurrte sie genüsslich. »Ein sensationeller Liebhaber, aber ein schwacher Charakter.« Ein paar Augenblicke lang studierte sie das Foto noch, dann legte sie es zu den übrigen und seufzte, »der Gregor, ja… im Bett ist er toll. Aber im Leben total erfolglos. Er kann sich nur durch Sex bestätigen.«
In diesem Augenblick verspürte Amelie weder Schreck noch Wut noch Enttäuschung. Sie hatte bloß das Gefühl, dass der Boden unter ihren Füßen nicht mehr hielt. Und sie spürte das Bedürfnis, Gregor in Schutz zu nehmen. Also sagte sie laut und scharf: »Vorsicht Burgi, ich bin mit dem Mann zusammen.«
Burgi sah sie forschend an, dann zuckte sie die Achseln und erwiderte gutmütig: »Na, dann trenn dich rasch wieder von ihm. Gregor Freytag ist seit acht Jahren mit einer hübschen Italienerin verheiratet und Vater von Zwillingen.«
12
Die Affäre Freytag war aus und vorbei. Aber es fehlte ihr ein ordentlicher Schlusspunkt.
Jede Arie hat ihr Finale, ein schwacher Schluss ruiniert das beste Theaterstück, eine Liebesbeziehung sollte nicht einfach versickern; davon war Amelie überzeugt. Was sie im Fall Hermann hingekriegt hatte, musste ihr auch im Fall Gregor glücken. ›Mein Gott, Hermann, auch der fällt ja ins Jahr 2001…Bravo Amelie, zwei Männer innerhalb weniger Monate zu den Akten gelegt…Nein, Gregor eben noch nicht, der muss da erst noch hin.‹
Er werde sich melden, hatte er beim Abschied in Bodrum gesagt. Amelie war ziemlich sicher, dass er das nicht tun
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