América
hatte angerufen, sie komme erst spät von der Arbeit, und danach werde sie sich mit Erna Jardine ans Telefon setzen, um die Nachbarn anzurufen und ihnen eine Mauer zu verkaufen, also war Delaney allein. Aber er wollte nicht allein sein. Deshalb hatte er ja wieder geheiratet; deshalb hatte er so bereitwillig Jordan angenommen und die Hunde, ebenso alle Freuden und Pflichten des häuslichen Lebens. Allein war er acht Jahre lang gewesen, nachdem er sich von seiner ersten Frau hatte scheiden lassen, und das war ihm genug Einsamkeit gewesen. Was er sich wirklich wünschte, und er lag Kyra schon mindestens seit einem Jahr damit in den Ohren, das war ein Baby, aber sie wollte nichts davon wissen - es gab immer noch ein Haus zu zeigen, noch ein Objekt zu vermitteln, noch einen Handel zum Abschluß zu bringen. Ja. Sicher. Und nun stand er da und war allein.
Er war gerade in den Robles Drive eingebogen, den Kopf gesenkt, die Hitze spürte er kaum, und er sann mürrisch darüber nach, daß ihm jetzt nicht einmal mehr die Hunde Gesellschaft leisten konnten, als jemand seinen Namen rief. Er fuhr herum und sah einen großen, kräftigen Mann auf sich zugehen, der ihm vage bekannt vorkam. »Delaney Mossbacher?« sagte der Mann und streckte die Hand aus.
Delaney schüttelte die Hand. Bis auf ihn und den Mann war die Straße völlig leer, lag fest im Griff der fernen, schmelzenden Sonne.
»Wir haben einander noch nicht bekannt gemacht«, sagte der Mann. »Ich bin Todd Sweet ... ich hab Sie auf der Versammlung gesehen - damals, als es um das Tor ging -, und ich wollte mich Ihnen mal vorstellen. Sie schreiben Artikel für eine Naturzeitschrift, ja?«
Delaney bemühte sich, seine Miene zu einem Lächeln zu verziehen. Auf der Versammlung? Und dann wurde es ihm klar: das war der sportliche Bursche mit der gertenschlanken Frau, der sich damals so emphatisch gegen das Tor ausgesprochen hatte. »Ach ja, stimmt«, sagte er vage, denn er fand es einigermaßen peinlich, daß dieser Mann Zeuge gewesen war, wie er mit der blutigen Hundepfote herumgefuchtelt hatte, und dann wurde ihm klar, daß dies nicht unbedingt eine angemessene Antwort war, so daß er hinzusetzte: »Für Wide Open Spaces.«
Der Mann lächelte, er strahlte Delaney an, als hätten sie gerade gemeinsam einen Vertrag unterschrieben, der sie beide steinreich machen würde. Er trug ein Sporthemd aus Seide mit Tigerstreifenmuster, frisch gebügelte Freizeithosen und Sandalen, und obwohl es knapp vierzig Grad waren, schien er sich durchaus behaglich zu fühlen, kein Tröpfchen Schweiß glitzerte auf seinen Schläfen. Er wirkte ernsthaft und cool zugleich, wie eine Kreuzung zwischen einem Jazzmusiker und einem Bibelverkäufer. »Sagen Sie, Delaney«, sagte er in einem vertraulichen Flüsterton, obwohl in hundert Meter Umkreis niemand zuhörte - eigentlich war überhaupt kein Mensch zu sehen, weder auf den sonnenheißen Rasenflächen noch hinter den herabgelassenen Jalousien der dunklen Fenster, »Sie haben ja wohl gehört, was unser Freund Jack Jardine für uns in petto hat ...«
Unser Freund. Delaney registrierte den ironischen Seitenhieb sehr wohl. Andererseits: Jack war tatsächlich sein Freund, obwohl sie in vielen Fragen keineswegs derselben Meinung waren, und er fühlte sich mit einem Mal in der Defensive.
»Na, und da dachte ich mir, Sie als Naturfreund - noch dazu als Schriftsteller, und bestimmt sind Sie ein guter Autor mit viel Überzeugungskraft, da bin ich sicher - sind bestimmt auch gegen diese neue Entwicklung. Bei der Versammlung nächsten Mittwoch wird über die Sache abgestimmt, und ich mache gerade die Runde von Haus zu Haus und versuche, die Leute zu überzeugen - also das heißt ich und meine Frau, wir tun das gemeinsam. Ich meine, ist denn dieses Tor nicht schlimm genug? Wir leben doch angeblich in einer Demokratie, wo jedermann zu öffentlichen Einrichtungen Zugang hat, oder etwa nicht?«
»Bin ganz Ihrer Meinung«, sagte Delaney rasch. »Voll und ganz. Die Idee mit dieser Mauer finde ich vollkommen indiskutabel, und außerdem wird das garantiert nicht billig, das steht fest.«
»Genau - und das streiche ich bei meinen Gesprächen mit den Leuten auch heraus. Denn wer sieht schon gerne seine monatlichen Kosten raufgehen?« Wenn Todd Sweet ihn eben noch angestrahlt hatte, so wirkte er jetzt geradezu ehrfürchtig. Es war ein Blick, den Delaney gut kannte, ein typisch kalifornischer Blick, der sich zu gleichen Teilen aus Offenherzigkeit, Respekt und schierer
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