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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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umgebracht, Mad Sweeney«, sagte Shadow. Zwanzig Dollar , dachte er, für ein Ticket weg von hier . »Die Trinkerei und die Kälte waren es, die dich umgebracht haben, nicht ich.«
    Es kam keine Antwort, und für den Rest der Fahrt herrschte Schweigen. Nachdem er auf der Rückseite des Hauses geparkt hatte, zog Shadow die Bahre aus dem Wagen und rollte sie ins Leichenschauhaus. Er hievte Mad Sweeney auf den Balsamiertisch, als würde er eine Rinderhälfte bewegen.
    Er deckte ein Laken über den Mister Niemand und ließ ihn, mitsamt dem ihn betreffenden Papierkram, dort liegen. Als er die Hintertreppe hinaufstieg, meinte er eine Stimme zu hören, leise und gedämpft, wie ein Radio, das in einem entfernten Zimmer lief, und sie sagte: »Und wie sollten Trinkerei und Kälte mich wohl totkriegen, mich, einen Kobold von edlem Geblüt? Nein, dass du die kleine goldene Sonne verloren hast, Shadow, das hat mich umgebracht, das hat mich mausetot gemacht, so wahr das Wasser nass ist, die Tage lang und ein Freund dich am Ende immer enttäuschen wird.«
    Shadow wollte Mad Sweeney darauf hinweisen, dass das aber eine recht sauertöpfische Weltanschauung sei, doch dann überlegte er sich, dass es vermutlich das Totsein war, das einen so sauertöpfisch machte.
    Er ging nach oben ins Haupthaus, wo gerade eine Reihe von Frauen mittleren Alters damit beschäftigt war, Frischhaltefolie über Auflaufformen zu spannen und Tupperwaredeckel auf Plastiktöpfe mit abkühlenden Bratkartoffeln oder Käsemakkaroni zu zwängen.
    Mr. Goodchild, der Ehemann der Verstorbenen, hatte Mr. Ibis in einer Zimmerecke gestellt und machte ihm eben klar, dass er es von Anfang an gewusst habe, dass keines seiner Kinder kommen werde, um ihrer Mutter die letzte Ehre zu erweisen. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, sagte er jedem, der es hören wollte. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.
     
    Am Abend deckte Shadow einen zusätzlichen Platz am Tisch. Er stellte an jeden Platz ein Glas und in die Mitte des Tisches eine Flasche Jameson Gold. Es war der teuerste irische Whiskey, der im örtlichen Spirituosenladen erhältlich war. Nachdem sie gegessen hatten (eine große Platte mit Resten, die die Damen ihnen hinterlassen hatten), schenkte Shadow freigebig alle Gläser voll – seines, Ibis’, Jacquels und Mad Sweeneys.
    »Und wenn er auch auf einer Bahre im Keller sitzen muss«, sagte Shadow, während er einschenkte, »auf seinem Weg ins Armengrab, heute Abend trinken wir ihm zu und bereiten ihm den Leichenschmaus, den er sich gewünscht hat.«
    Shadow erhob sein Glas auf den leeren Sitz am Tisch. »Ich habe Mad Sweeney nur zweimal lebend gesehen«, sagte er. »Das erste Mal dachte ich, er wäre der größte Schwachkopf der Welt und hätte den Teufel im Leib. Das zweite Mal dachte ich, er wäre ein kompletter Versager, und habe ihm das Geld gegeben, mit dem er sich umgebracht hat. Er hat mir einen Münzentrick gezeigt, an den ich mich nicht erinnern kann, mir ein paar blaue Flecken verpasst und behauptet, er sei ein Kobold. Ruhe in Frieden, Mad Sweeney.« Er nahm einen Schluck Whiskey und ließ den rauchigen Geschmack im Mund verdunsten. Auch die andern beiden tranken dem leeren Stuhl zu.
    Mr. Ibis griff in die Innentasche seiner Jacke und zog ein Notizbuch hervor, blätterte darin, bis er die richtige Seite gefunden hatte, und verlas dann einen zusammengefassten Abriss von Mad Sweeneys Leben.
    Mr. Ibis zufolge hatte Mad Sweeney seine Existenz vor über dreitausend Jahren als Wächter eines heiligen Felsens auf einer kleinen irischen Lichtung begonnen. Mr. Ibis berichtete von Mad Sweeneys Liebesaffären, seinen Feindschaften, von der Verrücktheit, die ihm seine Macht verlieh (»eine spätere Version der Geschichte wird noch immer erzählt, obwohl der religiöse Charakter, wie auch die Altertümlichkeit, die die Verse weit gehend haben, längst nicht mehr im Bewusstsein verankert sind«), von der Anbetung und Verehrung in seinem Land, die sich langsam in zurückhaltenden Respekt und schließlich in Belustigung verwandelten; er erzählte ihnen die Geschichte des Mädchens aus Bantry, das in die Neue Welt kam und ihren Glauben an Mad Sweeney, den Kobold, mitbrachte, denn hatte sie ihn nicht eines Nachts mit eigenen Augen erblickt, unten am Tümpel, und hatte er ihr nicht zugelächelt und sie bei ihrem richtigen Namen genannt? Sie war als Flüchtling im Laderaum eines Schiffes gefahren, mit lauter Menschen, die hatten mitansehen müssen, wie ihre Kartoffeln sich

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