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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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zeigt, dass es knapp zweitausend Jahre später Polynesier in Kalifornien gab. Und all die Wissenschaftler zerbrechen sich den Kopf darüber, wer von wem abstammt, und haben den Witz der Sache überhaupt nicht kapiert. Weiß der Himmel, was passiert, wenn sie tatsächlich irgendwann auf die Ankunftstunnel der Hopi stoßen. Das wird einige Erschütterungen geben, warten Sie’s ab.
    Sind die Iren etwa schon im frühen Mittelalter nach Amerika gekommen, werden Sie mich fragen? Natürlich sind sie das, genau wie die Waliser und die Wikinger, während die Afrikaner der Westküste – das, was man später die Sklavenküste oder Elfenbeinküste genannt hat – Handel mit Südamerika trieben und die Chinesen mehrmals Oregon besucht haben – Fu Sang nannten sie es. Die Basken richteten vor zwölfhundert Jahren ihre geheimen heiligen Fischgründe vor der Küste von Neufundland ein. Sie werden jetzt vermutlich sagen: Aber Mister Ibis, diese Leute waren doch Primitive, die haben weder über Funkfernsteuerung noch Vitaminpillen, noch Düsenflugzeuge verfügt.«
    Shadow hatte zwar nichts gesagt und eigentlich auch nicht die Absicht gehabt, sich zu äußern, nun aber sah er sich in die Pflicht genommen und sagte daher: »Na ja, ist es nicht so?« Reste des abgestorbenen Herbstlaubs, in der winterlichen Kälte gefroren, knackten unter ihren Sohlen.
    »Der Irrtum liegt darin begründet, dass man davon ausgeht, die Menschen hätten vor Kolumbus nicht solche großen Strecken zurücklegen können. Dennoch sind Neuseeland und Tahiti und zahllose pazifische Inseln von Menschen mittels Booten besiedelt worden, Menschen, deren Navigationskünste einen Kolumbus vor Neid hätten erblassen lassen. Der Reichtum Afrikas ist allerdings hauptsächlich dem Handel in östlicher Richtung entsprungen, also Richtung Indien und China. Mein Volk, das Volk vom Nil, wir haben schon früh entdeckt, dass ein Schilfboot einen um die ganze Welt trägt, sofern man nur genügend Geduld hat und genügend Gefäße mit Süßwasser mit sich führt. Nun ja, das größte Problem, was die Fahrt nach Amerika betraf, war damals die Tatsache, dass es hier nicht allzu viel gab, was das Handeln lohnte, und dass es dann doch viel zu weit weg war.«
    Sie waren bei einem großen Haus angekommen, das im so genannten Queen-Anne-Stil erbaut war. Shadow fragte sich, wer diese Queen Anne wohl gewesen war und warum sie ausgerechnet Häuser im Addams-Family-Stil so gern gehabt hatte. Es war das einzige Gebäude in der ganzen Straße, das nicht mit Brettern vernagelt und verriegelt war. Sie gingen durchs Tor und wanderten um den hinteren Teil des Hauses herum.
    Durch einige große Flügeltüren hindurch, die Mr. Ibis mit einem Schlüssel, den er am Bund trug, öffnete, gelangten sie zu einem großen, ungeheizten Raum, in dem sich gerade zwei Personen aufhielten. Es handelte sich um einen sehr großen, dunkelhäutigen Mann, der ein mächtiges Skalpell in der Hand hielt, und ein totes Mädchen von knapp zwanzig, das auf einem langen Porzellantisch lag, der einer Totenbank und gleichermaßen einer Küchenspüle ähnelte.
    An einer Korkpinnwand über der Leiche waren zahlreiche Fotos der toten Frau befestigt. Auf einem davon lächelte sie, es war eine Porträtaufnahme fürs Highschool-Jahrbuch. Auf einem anderen stand sie in einer Reihe mit drei anderen Mädchen – alle trugen sie lange Kleider, vermutlich für den Abschlussball –, und ihr schwarzes Haar war zu einem komplizierten Knoten nach oben auf dem Kopf gewunden.
    Jetzt trug sie das Haar offen, locker lag es auf dem kalten Porzellan um die Schulter herum, von getrocknetem Blut verfilzt.
    »Mein Partner Mister Jacquel«, sagte Ibis.
    »Wir haben uns schon kennen gelernt«, sagte Jacquel. »Verzeihen Sie, dass ich Ihnen nicht die Hand schüttle.«
    Shadow betrachtete die Frau auf dem Tisch. »Was ist mit ihr passiert?«, fragte er.
    »Schlechter Männergeschmack«, sagte Jacquel.
    »So was ist zwar nicht immer tödlich«, sagte Mr. Ibis seufzend, »diesmal war es aber der Fall. Er war betrunken und trug ein Messer bei sich, und sie hat ihm erzählt, dass sie glaubt, sie sei schwanger. Er wiederum wollte nicht glauben, dass es von ihm war.«
    »Die Zahl der Einstiche …«, sagte Mr. Jacquel und begann zu zählen. Mit einem Klicken trat er auf einen Fußschalter, um das kleine Diktiergerät, das auf einem Tisch in der Nähe lag, in Gang zu setzen. »… beträgt fünf. Drei Stichwunden befinden sich in der vorderen Brustwand. Die

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