American Psycho
bei mir, sollte ich in diesem Riß verschwinden, irgendwie, na, zusammenschrumpfen und reinflutschen, stünden die Chancen gut, daß niemand Notiz davon nimmt. Kei … nen … kratzt … es. Im Gegenteil, manche könnten, falls sie meine Abwesenheit bemerken, ein unbestimmtes Gefühl der Erleichterung empfinden. Eins ist wahr: Es gibt Leute, ohne die die Welt besser dran ist. Unsere Leben sind nicht alle verknüpft. Diese Theorie ist ein alter Hut. Manche Menschen braucht man wirklich nicht. Tatsächlich sitzt einer von ihnen, mein Bruder Sean, am Tisch, den er reserviert hat, als ich vom Klo komme, nachdem ich im Apartment angerufen und den Anrufbeantworter abgefragt habe (Evelyn dem Selbstmord nahe, Courtney will einen Chow kaufen, Luis schlägt Dinner am Donnerstag vor). Sean raucht bereits Kette, und ich frage mich, verdammt, warum habe ich nicht auf einem Tisch in der Nichtraucherzone bestanden? Er schüttelt dem Maître d’ die Hand, als ich dazukomme, macht sich aber noch nicht mal die Mühe, uns vorzustellen. Ich setze mich und nicke. Sean nickt auch, hat im Wissen, daß ich zahle, bereits eine Flasche Cristal bestellt; außerdem weiß er auch, daß ich weiß, daß er keinen Champagner trinkt.
Sean, mittlerweile 23, war letzten Herbst in Europa, zumindest hat Sean das Charles Conroy zufolge gesagt, und obwohl Charles in der Tat eine nicht unbeträchtliche Rechnung des Plaza Athénée erhalten hatte, stimmte die Unterschrift auf den Quittungen nicht mit Seans überein, und niemand schien genau zu wissen, wie lange Sean in Frankreich gewesen war oder ob er tatsächlich da gewesen war. Danach trieb er sich rum, bereitete sich dann in Camden drei Wochen auf den Wiedereintritt in die menschliche Gesellschaft vor. Jetzt ist er in Manhattan, vor dem Weiterflug nach Palm Beach oder New Orleans. Wie zu erwarten, ist er heute abend mal übellaunig, mal penetrant hochnäsig. Zudem hat er, wie mir jetzt auffällt, begonnen, seine Augenbrauen zu zupfen. Ja, er hat mittlerweile zwei. Das unbändige Verlangen, ihn darauf anzusprechen, kann nur bezähmt werden, indem ich meine Hand so fest zur Faust balle, daß ich die Haut der Handfläche durchbohre und dadurch den Bizeps des linken Arms so anspanne, daß er den Stoff des Armani-Leinenhemds sprengt, das ich trage.
»Gefällt dir der Laden?« fragt er grinsend.
»Mein … Stammlokal«, witzele ich mit zusammengebissenen Zähnen.
»Bestellen wir«, sagt er, ohne mich anzusehen, winkt nach einem Hardbody, der zwei Karten und zwei Weinkarten bringt, während er Sean bewundernd anlächelt, der ihn zum Dank völlig ignoriert. Ich schlage die Karte auf und – verdammt – kein Einheitspreis, was bedeutet, daß Sean Hummer mit Kaviar und Pfirsichravioli als Appetizer bestellt und den geschwärzten Hummer mit Erdbeersauce als Entree – die beiden teuersten Gerichte auf der Karte. Ich bestelle Wachtel-Sashimi mit geröstetem Brioche und Babykrebse mit Traubengelee. Ein Hardbody öffnet die Flasche Cristal und kippt den Champagner in Kristall- Tumbler, was, wie ich vermute, cool sein soll. Als er weg ist, bemerkt Sean die vage Mißbilligung, mit der ich ihn anstarre.
»Ja?« fragt er.
»Nichts«, sage ich.
»Was … jetzt … wieder … Pat rick? « Er dehnt die Worte, unausstehlich.
»Hummer zum Auftakt? Und als Entree?«
»Was soll ich denn sonst bestellen? Pringle-Kartoffelchips-Dip?«
» Zwei Hummer?«
»Die Streichholzbriefchen da sind etwas größer als die Hummer, die sie hier servieren«, sagt er. »Außerdem bin ich nicht so hungrig.«
»Erst recht ein Grund.«
»Ich faxe dir die Entschuldigung.«
»Trotzdem, Sean.«
»Rock’n’Roll –«
»Ich weiß, ich weiß, Rock’n’Roll, muß man mit leben, wie?« sage ich, eine Hand erhoben, während ich den Champagner schlürfe. Ich frage mich, ob nicht doch noch Zeit ist, eine der Kellnerinnen zu bitten, uns ein Stück Kuchen mit Kerze rüberzubringen – nur damit er im Boden versinkt, um den kleinen Scheißer an seinen Platz zu verweisen – aber statt dessen stelle ich das Glas ab und frage: »Hör mal, also, Jesus.« Ich atme ein, presse dann hervor: »Was hast du heute so gemacht?«
»Mit Richard Lindquist Squash gespielt.« Er zuckt abfällig die Achseln. »Einen Smoking gekauft.«
»Nicholas Leigh und Charles Conroy hätten gerne gewußt, ob du diesen Sommer in die Hamptons fährst.«
»Nicht wenn es sich vermeiden läßt«, sagt er achselzuckend. Ein blondes Mädchen von fast perfektem Zuschnitt, mit
Weitere Kostenlose Bücher