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American Psycho

American Psycho

Titel: American Psycho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bret Easton Ellis
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welch großen Auftritt er daraus macht; er hat sogar eine Silberglocke über die Schachtel gestülpt, und Evelyn gurrt vor Vergnügen, als er sie mit einem »Voi-ra« abhebt, greift nach dem Löffel neben ihrem Wasserglas (ich habe mich vergewissert, daß es leer ist) und sagt zu mir gewandt: »O Patrick, wie süß von dir«, und ich nicke lächelnd dem Kellner zu und winke ab, als er einen Löffel auf meine Seite des Tischs legen will.
    »Willst du nichts abhaben?« fragt Evelyn besorgt. Sie ist sprungbereit, gierig über den schokoladenüberzogenen Duftstein gebeugt. »Ich liebe Godiva.«
    »Ich bin nicht hungrig«, sage ich. »Das Dinner war … reichlich.«
    Sie lehnt sich nach vorn, das braune Oval beschnuppernd, und fragt mich, ein Aroma von etwas (vielleicht Desinfektionsmittel) erahnend, nun bestürzter: »Bist du … sicher?«
    »Nein, Darling«, sage ich. »Ich möchte, daß du es ißt. Es ist ja nicht so viel da.«
    Sie nimmt den ersten Bissen, folgsam kauend, sofort und unübersehbar angewidert, und schluckt dann. Sie zuckt zusammen, zieht eine Grimasse und versucht zu lächeln, als sie den nächsten zaghaften Bissen nimmt.
    »Wie ist es?« frage ich, dann, drängend: »Iß auf. Es ist nicht vergiftet oder so.«
    Ihr Gesicht, unglücklich verzogen, wird noch etwas bleicher, als müßte sie würgen.
    »Was?« frage ich grinsend? »Was ist los?«
    »Es ist so …« Ihr Gesicht ist jetzt eine einzige lange qualvoll grimassierende Maske, und sich schüttelnd hustet sie: »… pfefferminzig.«
    Sie versucht, ein genießerisches Lächeln aufzusetzen, was sich als Unmöglichkeit erweist. Sie greift nach meinem Wasserglas und stürzt es hinunter, in dem verzweifelten Bemühen, den Geschmack aus dem Mund zu spülen. Dann bemerkt sie meinen besorgten Blick und versucht, diesmal entschuldigend, zu lächeln. »Es ist nur« – sie schaudert wieder – »es ist nur so … pfefferminzig. «
    Für mich sieht sie aus wie eine große schwarze Ameise – eine große schwarze Ameise im Christian-Lacroix-Modellkleid –, die einen Duftstein ißt, und ich fange fast an zu lachen, aber ich will sie auch nicht beunruhigen. Ich will nicht, daß sie es sich anders überlegt, ehe sie den Duftstein aufgegessen hat.
    Aber sie kriegt nichts mehr davon runter und schiebt nach nur zwei Bissen den Teller von sich, als sei sie satt, und in dem Moment fange ich an, mich seltsam zu fühlen. Obwohl ich mich daran ergötze, daß sie das Ding frißt, macht es mich auch traurig, und plötzlich werde ich daran erinnert, daß das Unbehagen, das ich ihr bereite, – wie befriedigend es auch sein mag, Evelyn etwas essen zu sehen, auf das ich und zahllose andere gepißt haben – letztendlich auf meine Kosten geht: es ist enttäuschend, ein schäbiger Ausgleich dafür, sie drei Stunden am Hals zu haben. Unwillkürlich beginnen sich meine Kiefer zu verkrampfen, entspannen, verkrampfen, entspannen. Irgendwo läuft Musik, aber ich kann sie nicht hören. Evelyn fragt den Kellner heiser, ob er ihr vielleicht Life Savers aus dem koreanischen Deli um die Ecke besorgen kann.
    Zur Krönung des Abends sagt Evelyn dann auch noch: »Ich will eine feste Beziehung.«
    Da der Abend ohnehin schon ein Fiasko war, kann diese Bemerkung nichts mehr verderben oder mich überraschen, doch das Unzumutbare unserer Situation schnürt mir den Hals zu, und ich stoße mein Wasserglas wieder in Evelyns Richtung und bitte den Kellner, den halbgegessenen Duftstein zu entfernen. In der Sekunde, in der das zerfließende Dessert entfernt wird, ist auch meine Geduld für diesen Abend erschöpft. Zum ersten Mal geht mir auf, daß ihr Blick in den letzten beiden Jahre weniger mit Anbetung auf mir ruhte als mit etwas, das an Habgier grenzt. Endlich bringt jemand ein Wasserglas mit einer Flasche Evian, die ich sie nicht habe bestellen hören.
    »Evelyn, ich glaube, daß …«, beginne ich, winde mich, beginne wieder. »… daß wir uns auseinandergelebt haben.«
    »Warum? Was ist los?« Sie winkt einem Pärchen zu – Lawrence Montgomery und Geena Webster, glaube ich –, und am anderen Ende des Raums hebt Geena (?) die Hand, die ein Armreif schmückt. Evelyn nickt bewundernd.
    »Mein … mein Drang, mich in großem Stil mörderischen Instinkten hinzugeben, ist nicht mehr, ähm, zu bezähmen«, sage ich zu ihr, jedes Wort sorgsam abwägend. »Aber ich … sehe keinen anderen Weg, meinen unterdrückten … Bedürfnissen, äh, Ausdruck zu geben.« Es überrascht mich, wie mich dieses

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