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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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den China investiert. Von der föderalen Regierung der Vereinigten Staaten bleibt so auf lange Sicht, um mit den Worten von Paul Krugman zu sprechen, kaum mehr übrig als eine Versicherungsgesellschaft mit einer Armee.
    Viele Amerikaner haben, unter dem Einfluss von Kampagnen, dafür heute keinen Blick mehr. In einer aktuellen Gallup-Umfrage erklärten zwei von drei Befragten Amerikanern, dass big government – im Gegensatz zu big business – die größte Bedrohung für das Land darstellt. Steuern sind für sie nichts anderes als Einkommenseinbußen. Der Gedanke, dass ihnen im Gegenzug zahllose öffentliche Einrichtungen und Dienste geboten werden – von Straßen und Schulen bis hin zu Laternenpfählen und Flughäfen, von der Müllabfuhr bis zur Feuerwehr, und dazu auch noch der mächtigste Militärapparat der Welt –, kommt ihnen nur selten.
    Es ist jedoch nicht nur eine Frage des Geldes, es ist auch ein Mangel an Phantasie. Das amerikanische Vorstellungsvermögen war zu Zeiten des Grand-Coulee-Damms zu einem beträchtlichen Teil auf öffentliche Angelegenheiten, öffentliche Dienstleistungen sowie den öffentlichen Sektor ausgerichtet. Das hat sich geändert, wie der Historiker Henry William Brands pointiert schreibt: »Die Träume von 1945 waren kollektiv ambitioniert, aber individuell bescheiden; die von 2010 sind kollektiv bescheiden, aber individuell ambitioniert.«
    Das Amerika, das während des Zweiten Weltkriegs mehr als sechzehn Millionen Soldaten ins Feld schickte, hat im Jahr 2010, während des Kriegs im Irak und in Afghanistan, Mühe, eine Armee von ein paar hunderttausend Mann zu unterhalten. Das wirtschaftliche powerhouse in Bretton Woods, das die Weltwirtschaft nach seinen Vorstellungen lenkte, ist heute von den Zentralbanken Chinas und Japans abhängig. Stolze Industriestädte wie Detroit und Buffalo sind nur noch ein Schatten ihrer selbst. Gleichzeitig, schreibt Brands, lässt der individuelle Lebensstil der Babyboomer – Häuser, Autos, Computer, Reisen, Cappuccino – den ihrer Eltern verblassen. »Bretton Woods, der Marshall-Plan, die Great Society – das waren Träume eines anderen Zeitalters; die Nation von 2010 ist nicht mehr in der Lage, solch große Ziele anzustreben.«
    So wurde es immer mehr zur Wirklichkeit, das bizarre Familienpicknick von John Kenneth Galbraith.

TEIL SECHS
    We may be brothers after all. We will see.
    CHIEF SEATTLE, 1854

1
    Travels with Charley hieß ursprünglich In Quest of America . Das war der Arbeitstitel, und unter dieser Überschrift erschien auch der mehrteilige Vorabdruck in Holiday . Der Arbeitstitel wurde schließlich zum Untertitel, allerdings in der Variante In Search of America . Ein feiner, nicht unwichtiger Unterschied, denn eine quest , von altfranzösisch queste , ist eher eine Irrfahrt, in deren Verlauf der Held verschiedene Abenteuer besteht und mit einigem Glück außerdem ein Ziel erreicht oder das Gesuchte findet, während mit search eine planvolle Suche gemeint ist. Ursprünglich hatte Steinbeck eine solche Suche beabsichtigt. Die Reise wurde dann mehr und mehr zu einer quest , ein gewisses Maß an Planlosigkeit gehörte dazu. Doch das sollte nicht allzu sehr betont werden; in der Endfassung wurde aus der quest wieder eine Suche. Ein amerikanischer Held muss ein klares Ziel vor Augen haben.
    Mit unserer Reise, ein halbes Jahrhundert später, ist es ganz ähnlich: Aus der Suche wurde allmählich eine quest . Allein schon wegen der Probleme, auf die man stößt, wenn man Steinbecks Expedition und das Zustandekommen seines Berichts so genau wie möglich zu rekonstruieren versucht. Wo sind die Quellen, die man dafür braucht? Viele Briefe Steinbecks hat Elaine der Stanford University vermacht, auch im National Steinbeck Center in Salinas und in der Bibliothek der San Jose State University ist vieles zu finden, aber der Rest ist über das ganze Land verstreut. In zahllosen Universitätsarchiven und Bibliotheken werden Fragmente dieses Schriftstellerlebens aufbewahrt, als wäre nach Steinbecks Tod sein Schreibpavillon in Sag Harbor explodiert und der Inhalt in alle Himmelsrichtungen davongeweht worden.
    Die Fahnen von Die Reise mit Charley kamen nach Salinas, die unterwegs geschriebenen Briefe liegen – zusammen mit Reisenotizen – in Stanford, das Manuskript wiederum in New York, in der John Pierpont Morgan Library. Steinbeck hat es mit der Hand geschrieben, überwiegend auf den gewohnten gelben Blättern; ein Teil davon ist gleichzeitig eine

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