Amerikanische Reise
lang, zum ersten Mal überhaupt, soweit Walter sich erinnert, nimmt ihr Gesicht in seinen
Augen einen halbwegs normalen Ausdruck an: Miss Piggy, die wirklich verzweifelt ist, weil Kermit, der Frosch, keinen Blick
für sie hat. Sie setzt sich langsam auf die Bettkante, und während sie nichts sagt und neben ihm sitzt, breitet sich in Walter
eine Kälte aus, die er selbst an sich nicht kennt: Er weiß jetzt, daß er sich an Neil rächen wird, und er weiß auch, wie.
Denn Cindy, die neben ihm sitzt und immer noch nichts sagt, hat ihm hin und wieder deutlich zu verstehen gegeben, daß sie
für ein Abenteuer zu haben wäre, was ihn nie sonderlich gereizt hat, aber jetzt reizt es ihn aus einem anderen Grund. Er weiß,
daß er diesen Versuch machen wird, er muß. Er legt Cindy, wie zum Trost, seinen Arm um die Schultern und sagt, daß es ihm
leid tut, aber er habe es ihr sagen müssen, und Cindy beugt sich zum Nachttischschränkchen und holt eine Flasche Whiskey heraus
– Walter weiß von Neil, daß sie gelegentlich trinkt –, und sie gießt sich ein.
You want a drink?
Walter nickt, und dann trinken sie, und Cindy flucht über Neil, das Schwein, aber sie flucht nicht hysterisch und aufgesetzt,
sondern sie ist jetzt einigermaßen maskenlos bei sich. Sie trinken, das braucht sie offenbar, und Walter braucht es auch,
um alles, was geschehen ist, in seinem |124| Kopf zu löschen und leer zu werden, für das, was kommen soll, und nach dem dritten oder vierten Glas glaubt er, soweit zu
sein. Er sieht Cindy an, die immer noch auf der Bettkante neben ihm sitzt, und sie sieht ihn an, die Augen vom Alkohol trüb
wie bei einem Fisch, der zu lange gelegen hat.
Get undressed,
sagt Walter, und sie steht tatsächlich auf – er wundert sich selbst, wie einfach es geht – und zieht sich den Morgenmantel
aus, unter dem sie ein fleischfarbenes Satinnachthemd mit falschen Spitzen trägt. Sie schiebt die Spaghettiträger über die
Schultern, und der falsche Schimmer gleitet zu Boden. So wie die Figur von Claudia Schiffer ist ihre nicht, denkt Walter,
die Brüste hängen wie Zitronen an ihr herab, die Nippel fast an der tiefsten Stelle. An ihren Oberschenkeln ist sie breiter
als am Becken. Dennoch erregt ihn ihre Nacktheit und mehr noch die Macht, die er jetzt über sie hat, und er zieht seine Hose
aus und spreizt die Beine. Sie kniet sich hin – es geht so einfach, denkt Walter, so einfach – und sie nimmt seinen Schwanz
in den Mund. Walter sieht Cindys dauergewellte, blonde Haare, eine künstliche Fülle, die ihm rhythmisch entgegenkommt und
sich wieder entfernt. Und während sie zwischen seinen Beinen arbeitet und sich eine billige Genugtuung in ihm ausbreitet,
steigt zusätzlich sein Haß auf Neil wieder in ihm hoch und gleichzeitig damit eine Verachtung für Cindy, seine Frau, die einfacher
zu bekommen ist als eine von der Straße, und genau das – so sieht er es jetzt – ist ihre Aufgabe: Sie hat zwischen seinen
Beinen einen Job zu erledigen, damit Neil versteht, was es bedeutet, gefickt zu werden. Denn Neil hat ihn gefickt, ist in
seine Datenkanäle eingedrungen und hat ihm dort einen Betrug injiziert. Neil, das Schwein. Walter spürt, daß er sich dem Punkt
nähert, ab dem es kein Zurück mehr gibt, und er will nicht mehr zurück, im Gegenteil, |125| er weiß jetzt, was er will: daß Cindy ihren Job erledigt, um Neil zu demütigen, und Walter wird dafür sorgen, daß sie ihren
Job erledigt, obwohl Cindy selbst die Sache jetzt bleiben lassen will, weil sie spürt, daß er kurz davor ist, und sie auch
etwas haben will von allem, aber bevor sie den Kopf wieder heben kann, legt er seine Hände auf ihre künstlichen Locken und
drückt sie wieder hinunter, und sie grunzt, weil sie seinen Schwanz jetzt loswerden will. Sie schlägt mit den Armen auf seinen
Knien herum. Kein Problem, denkt Walter, sie kann es auch anders haben, er ist jetzt in der Lage, es ihr auf alle möglichen
Weisen zu besorgen. Er zieht ihren Kopf an den Haaren hoch, sie schreit auf, aber ihr bleibt nichts übrig, als den Bewegungen
seines Armes zu folgen, und als Walter sieht, daß sie wie ein Fisch am Haken zappelt, muß er an diesen ängstlichen Sachbearbeiter
denken, den er damals auf den Schreibtisch gepreßt, aber nicht ins Gesicht geschlagen hat, obwohl er es verdient gehabt hätte.
Cindy wird nicht so glimpflich davonkommen, denn jetzt ist die Grenze erreicht, mehr kann man ihm nicht zumuten,
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