Amerikanische Reise
gegangen und hat behauptet, sie wisse sehr gut, was er hier mache, aber sie blieb
dabei, |121| daß sie von nichts etwas wisse, und wo denn eigentlich Neil sei, mit dem er doch den Abend verbracht habe? Walter dachte,
das ist der Gipfel!, diese blöde amerikanische Pute glaubt doch tatsächlich, sie könnte ihn mit ihrer Unschuldsmiene wieder
loswerden. Neil, der Feigling, schickt auch noch seine Frau vor! Aber Walter läßt sich nicht aufhalten, er kennt sich in der
Wohnung aus, diese protzige Wohnung mit fünf Zimmern, die sich Neil hinten und vorne nicht leisten kann. Er geht durch das
Wohnzimmer, das mit Marmor-, Glas- und Plüschkitsch nur so vollgestopft ist. Auf dem Sofa sitzt blöde und stumm Cindys Kinderteddy,
den er schon immer grauenhaft fand und dessen Brummen sie bei jeder ihrer Cocktailparties unter dem Gekreische ihrer Freundinnen
vorführt und den sie, nimmt er an, bis heute liebt, weil er keine Widerworte gibt. Wahrscheinlich, denkt Walter, hat die abgewetzte
Tatze dieses Viechs sie auch entjungfert, irgendwo muß das Fell ja geblieben sein. Und Cindy – der er nicht mehr zutraut,
als zu telefonieren und zu vögeln –, diese dumme Person will ihm weismachen, Neil sei nicht zu Hause! Neil, mit dem er vor gerade mal einer Viertelstunde telefoniert
hat, während sie im Hintergrund rumflötet, er soll ins Bett kommen. Walter geht Richtung Schlafzimmer, Cindy protestierend
in seinem Schlepptau, die Tür steht offen, und Walter tritt ein und ist einen Moment irritiert, weil Neil wirklich nicht da
ist, in keiner Ecke dieses Kunstseide-Spiegel-Mahagonipuffs, wie Walter das Schlafzimmer der beiden einmal genannt hat. Jetzt
wird die Angelegenheit schwierig, weil er beginnen müßte, die ganze Wohnung abzusuchen, das Badezimmer, die Küche mit der
Miele - Waschmaschine
– irgendwo muß sich Neil ja nun versteckt halten, aber bei einem Katz-und-Maus-Spiel würde sich Walter genauso lächerlich
machen, wie er es lächerlich |122| findet, daß sich Neil, der Feigling, versteckt, während Cindy in Walters Rücken hysterisch kreischt, daß Neil nicht da ist,
he’s not here, I told you so.
In Walter beginnt es für einen Moment zu arbeiten, und dann addieren sich die Fakten ganz anders zusammen. In dem Augenblick,
in dem er im Schlafzimmer steht und ihm auffällt, daß Neils Teil des Bettes wirklich unberührt ist, reimt sich alles in einer
für ihn sehr viel reizvolleren Logik zusammen. Er hat zwar mit Neil telefoniert, und er hat im Hintergrund diese Frauenstimme
gehört, die er natürlich für Cindys Stimme gehalten hat, aber er hat, wie immer, Neils Handy angewählt, und Neils Handy ist
da, wo Neil ist, und wenn Neil nicht in seiner Wohnung ist und im Hintergrund eine Frauenstimme turtelt, daß er ins Bett kommen
soll, dann ist er bei einer dieser Wallstreetpussis, die die Büros bevölkern – Neils Sekretärin beispielsweise, der er auf
den Schoß gerutscht ist – und die, davon ist Walter überzeugt, nur darauf hoffen, daß man irgendwann die eigene Frau davonjagt
und statt dessen sie über die Schwelle des Penthouses trägt. Bei so einer also, reimt er sich zusammen, ist Neil, während
seine Frau hier in ihrer Plüsch- und Kunstseidewelt liegt und denkt, ihr Mann wäre mit ihm sonstwo, bei der Arbeit jedenfalls
und nicht beim Bumsen. Die Geschichte, die sich in Sekundenschnelle in Walters Gehirn bildet, paßt ihm wunderbar ins Konzept,
um Neil einen ersten Strich durch die Rechnung zu machen: Über die Dollars, denkt er, wird später geredet, jetzt geht es erstmal
darum, seine Frau, diese Schnepfe, die jetzt, ohne Make-up und Tusche aussieht wie Miss Piggy mit der Figur von Claudia Schiffer
– jetzt geht es darum, Neils Frau darüber aufzuklären, was ihr Mann so treibt, wenn er behauptet, er sei mit Walter unterwegs.
Und Walter wird ganz ruhig, setzt ein freundschaftliches Lächeln auf und entschuldigt |123| sich erstmal in aller Form für sein Eindringen. Cindy bringt ihre Locken in Ordnung. Walter erklärt ihr, daß er vor nicht
einmal zwanzig Minuten mit Neil telefoniert hat, via Handy wie immer, und im Hintergrund habe eine Frauenstimme, die ihrer,
Cindys Stimme, sehr ähnlich gewesen sei, gesäuselt, er solle doch ins Bett kommen. Und jetzt das! Er könne einfach nicht umhin
anzunehmen, daß Neil, wenn er nicht hier sei, bei einer anderen Frau sein müsse. Cindy sagt nichts mehr, sagt endlich einmal
nichts mehr, und einen Augenblick
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