Amerikanische Reise
fragt er Jan, um das Thema zu wechseln.
Jan hat den Eindruck, als wolle Walter noch mit ihm allein reden, und die Vorstellung gefällt ihm nicht. Er befürchtet, Walter
könnte doch mißtrauisch sein und Einzelheiten ihrer Fahrt wissen wollen. »Bis zur Mitte des Kontinents etwa«, sagt er. »Bei
den in den Fels gehauenen Präsidentenköpfen sind wir umgekehrt.«
»Und?« fragt Walter. »Beeindruckt?«
Jan kann sich nicht vorstellen, daß Walter über Sehenswürdigkeiten informiert werden will. Er ist vorsichtig. »Ja, schon«,
sagt er. Er hört Kristin im Bad hantieren.
»Ich bin praktisch noch nicht aus New York herausgekommen«, stellt Walter bedauernd fest. »Wenn das hier vorbei ist, werde
ich mir das Land ansehen. Das habe ich mir vorgenommen.«
»Die Fahrt querdurch ist langweilig: Felder, Felder und nochmals Felder.« Jan bemüht sich, das Gespräch auf dem |119| unverbindlichen Ton zu halten, bis Walter seine Zigarette geraucht hat.
»Die Weite muß faszinierend sein«, überlegt Walter.
Kristin kommt aus dem Bad. Dann öffnet sich eine andere Tür und wird wieder geschlossen. »Sicher«, sagt Jan. »Aber nicht drei
oder vier Tage lang.«
Walter hebt die Schultern. »Ich muß einfach mal raus«, stellt er fest.
Jan nickt. Die Asche von Walters Zigarette hat jetzt fast den Filter erreicht. Er zieht noch einmal und kneift dabei die Augen
zusammen. Dann drückt er sie aus. »Weißt du«, sagt er nachdenklich, »natürlich kann ich mir Vorwürfe machen. Aber zu der Situation
jetzt ist es nur gekommen, weil Neil eigenmächtig gehandelt hat.«
Jan hofft, daß Walter nicht vorhat, den ganzen Fall noch einmal mit ihm durchzugehen. Er kann nichts dazu sagen, er hat noch
nie eine Aktie in der Hand gehabt. Aber Walter redet weiter.
»Es gibt Aktien«, erklärt er, »die in kurzer Zeit zehn, manchmal zwanzig Prozent zulegen, das heißt, zehn- bis zwanzigtausend
Dollar für hunderttausend. Es ist wie die Erzeugung von Geld aus dem Nichts. Nur fallen dürfen die Papiere nicht – und Neil,
anstatt das Spiel auf der sicheren Seite zu spielen, wollte über Nacht reich werden. Dann sind die gebuchten Aktien abgestürzt,
und Neil beziehungsweise ich sitze jetzt mit einem Verlust von zweihunderttausend Dollar da. Wie konnte ich so leichtsinnig
sein, und ihm den Zugriff auf die Datenbanken erlauben?«
Walter nimmt sich erneut eine Zigarette. Jan hat sich damit abgefunden, daß er sich die ganze Geschichte noch einmal anhören
muß. Vermutlich, denkt er, schläft Kristin längst. Walter erzählt, er habe mit Neil telefoniert, um ihn zur Rede zu stellen
und zu fragen, was er jetzt zu tun gedenke, |120| um die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Neil, und das war in Walters Augen die Höhe, habe behauptet, er wisse von nichts.
Er wollte nie etwas von den betreffenden Aktien gehört haben. Wie denn Walter darauf komme, daß er sich an solchen Machenschaften
beteiligen würde? Und während er alles abstreitet, hört Walter Neils Frau im Hintergrund turteln, daß er doch ins Bett kommen
soll. Walter hat getobt. Wer Scheiße baut, hat er gesagt, muß wissen, wie die Klospülung funktioniert, und er, Neil, solle
sich jetzt gefälligst nicht aus der Verantwortung stehlen. Aber Neil blieb dabei, von der Sache nichts zu wissen, und Walter
war klar, daß er damit durchkommen würde, weil er die ganze Arbeit gemacht und Neil sich nur mit den anfänglichen Gewinnen
die Hosentaschen vollgestopft hatte. Walter verfluchte sich, daß er seinem Freund vertraut hatte, vertraut darauf, daß er
sich an die Abmachung hielt, nur auf sichere Aktien zu setzen und sich nicht auf den Handel mit
Junk -
Papieren einzulassen, die heute Füllhörner sind und morgen der letzte Dreck. Wie kann man nur so dumm sein, so unendlich dumm,
hat er sich gesagt, und dann hat es ihm gereicht, und er wollte sich ins Auto setzen, zehn Minuten Fahrt, und Neil zur Rede
stellen. Erst auf der Straße fiel ihm ein, daß er sich nicht ins Auto setzen konnte, weil das Auto nicht da war, weil seine
Frau mit seinem Freund irgendwo durch die Landschaft gondelte. Er ist sich vorgekommen wie der letzte Arsch, auf dem alle
nach Belieben herumtrampelten. Aber nicht mit mir!, hat er sich gesagt und sich ins Taxi gesetzt, zehn Minuten Fahrt, und
dann macht Cindy, Neils Frau, die Tür auf, ziemlich verschlafen und im Morgenmantel.
Walter?
sagt sie,
what are you doing here at this hour?
Walter ist an ihr vorbei in die Wohnung
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