Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Amerikanische Reise

Titel: Amerikanische Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Woelk
Vom Netzwerk:
er läßt sich
     sein Leben nicht zerstören. Irgendwann platzt jedem der Kragen. Er preßt Cindys Gesicht in die Satinbettwäsche, seine Armmuskeln
     sind hart, sie schlägt und schlägt auf die Matratze, die ihre Schreie schluckt und in ein gepreßtes Quieken verwandelt. Mit
     den Beinen strampelt sie, als sei sie Nichtschwimmerin und habe Angst unterzugehen, aber sie hat keine Chance, Walter zu treffen,
     der zwischen ihren Schenkeln kniet und mit der Rechten seinen Schwanz herunterdrückt, bis er über der hin- und herwackelnden
     Rosette angekommen ist. Cindy, die ihn jetzt spürt, erstarrt für einen Moment, weil sie es nicht glauben kann. Sie versucht,
     Walters Namen zu rufen, aber selbst wenn sie zu verstehen gewesen wäre, hätte sie ihn nicht erreicht, Walter |126| ist nicht mehr zu erreichen, er ist ein einsamer Kämpfer für seine Sache, er wird der Welt zeigen, was es bedeutet, so mit
     ihm umzuspringen, er wird es Neil zeigen. Er stößt seinen Schwanz in Cindy, die nicht mehr genug Luft bekommt, um noch zu
     schreien, nur noch ein Grunzen dringt durch die Matratze, die im Rhythmus von Walters Stößen vibriert. Es ist Neil, dem er
     jetzt die Scheiße zurück in den Arsch stopft, einen Stoß nach dem anderen, und es riecht jetzt nach Scheiße, alles kocht hoch,
     die Welt gibt sich als die Kloake zu erkennen, die sie ist. Den Sieg trägt der davon, dem der Gestank nichts ausmacht. Walter
     macht der Gestank nichts aus. Nicht mehr. Ein, zwei Stöße noch, und er kommt. Er zeigt es Neil, er zeigt es allen. Er pumpt
     Cindy voll, die er endlich losläßt, die hustet und spuckt, ihr Gesicht ist rot und voller Flecken. Sie hustet und spuckt und
     wimmert, und Walter steht auf, zieht sich die Hose an und geht, geht durch das Wohnzimmer mit dem Plüschbären, der Cindy nicht
     beschützt hat. Er atmet durch: Er hat diesen ganzen Marmor-, Glas- und Plüschkitsch gefickt. Er hat Neil gefickt. Er hat Amerika
     gefickt.
     
    Walter steht am Fenster, spricht ruhig und mit leiser Stimme, nur die Zigaretten, die er fast am Stück raucht, verraten seine
     innere Spannung. Er redet von sich selbst wie von einem Fremden. Es ist deutlich, daß es ihm nicht darum geht, sich zu verteidigen.
     Wenn Walters Darstellung stimmt – und sie stimmt aus seiner Sicht   –, hat er sich nicht vorgenommen, Cindy zu vergewaltigen, sondern lediglich mit ihr zu schlafen, um sich an Neil zu rächen,
     was zwar primitiv, aber nicht verboten ist. Wenn man ihm vor einer Woche gesagt hätte, er sei in der Lage, eine Frau zu vergewaltigen,
     hätte er das von sich gewiesen in dem sicheren Bewußtsein, sich in diesem Punkt richtig einzuschätzen. |127| Sein Verhältnis zur Sexualität war nicht so geradlinig wie das von Jan, es klaffte eine Lücke zwischen seinem Bettleben mit
     Kristin und gelegentlich imaginierten Abenteuern, deren Realisierung er aber nie ernsthaft in Angriff genommen hätte. Er hatte
     Kristin einmal Lackstiefel geschenkt – ein bescheidener Versuch auf diesem Weg   –, und die Tatsache, daß Kristin die Stiefel nie getragen hatte, interpretierte er als Beweis dafür, daß der Graben zwischen
     Fantasie und Realität ein naturgegebener und damit per se nicht zu überbrückender sei. Jede Anstrengung in diese Richtung,
     sagte er sich, war damit ein von vornherein nutzloser Energieaufwand, und die eingesetzten Kräfte fehlten einem am Ende doch
     nur bei der Verwirklichung erreichbarer Ziele, Wohlstand, Erfolg.
    Auch in seinen Fantasien spielten Vergewaltigungen keine Rolle, im Gegenteil, meistens stellte er sich vor, daß er allein
     oder abwechselnd mit einem anderen Mann eine billige Hure nehmen mußte, den Kommandos einer unberührbaren Frau folgend, allerdings
     ohne vorher irgendwelche Stiefelabsätze küssen oder auf allen vieren herumkriechen zu müssen – das fand er albern. Der einfache
     Seitensprung reizte ihn dagegen kaum, und den in der Bank gelegentlich angedeuteten Offerten in diese Richtung konnte er gut
     widerstehen. Er selbst hätte sein Sexualleben als ausgeglichen und zufriedenstellend bezeichnet. Und er war überzeugt, daß
     ihn diese Tatsache von dem Verdacht, er könne jemals eine Vergewaltigung begehen, vollständig befreite.
    Was geschehen war, entsetzte ihn, als es ihm bewußt wurde, was allerdings nicht sofort der Fall war. Nachdem er Neils Wohnung
     verlassen hatte, nahm er sich erneut ein Taxi und setzte sich zu Hause vor den Monitor. Das Geschehene versank in kürzester
     Zeit wie

Weitere Kostenlose Bücher