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Amerikanische Reise

Titel: Amerikanische Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Woelk
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zugrunde,
     der Erfolg der U S-Kultur könnte total sein.
    Erfolg zu haben ist ein merkwürdiger Vorgang. Das deutsche Wort Erfolg hat zwei Aspekte: Zum einen ist es dynamisch, Folgen
     ist eine Bewegung, und wer einem Menschen oder einer Idee folgt, bleibt nicht stehen. Zum anderen ist Folgen keine wirklich
     freie Bewegung, sie ist gebunden an dasjenige, dem man folgt. Man hat keinen Einfluß auf die Richtung, in die man geht. Die
     Dynamik ist eine zwanghafte.
    Die einzige originäre Erfindung der U S-Kultur ist das Roadmovie. Niemand käme auf die Idee, von einem Straßenfilm zu reden. Es gibt
La Strada,
und trotzdem wird man das Gefühl nicht los, daß die Straßen eines
echten
Roadmovies nur staubige amerikanische Straßen sein können mit halb verrotteten
Gas-Food-Lodging -
Stationen, riesigen Trucks und schrottreifen Chevrolets.
On the road
ist der Traum, vielleicht weil er – wie die Legende vom Erfolg – von einer Bewegung erzählt, aber von einer freien, |170| einer Bewegung, deren Richtung sich bei jeder Kreuzung ändern läßt, ohne Vorgaben, ohne Notwendigkeiten.
     
    Jan erwacht in der Nähe von Chicago. Er schwitzt. Sein Hemdkragen klebt an seinem Nacken, und die steil in den Wagen scheinende
     Sonne heizt seine Oberschenkel auf. Er hat einen säuerlichen Nachtgeschmack auf der Zunge, und seine Zähne sind wie mit Filz
     belegt. Kristin sitzt neben ihm, eine Hand am Steuer und den Blick geradeaus in die Landschaft gerichtet, die hinter ihrem
     Profil vorüberfließt, ein grobgeknüpfter, welliger Teppich, der blaßgrün neben dem Highway verlegt ist. Keine Hochhäuser,
     kein Asphalt. Jan braucht eine Weile, um zu verstehen, wie er in den Wagen gekommen ist. Er erinnert sich an den Besuch in
     Kristins Galerie und an Walter, der aus Wut über die ausgestellten Bilder gegangen ist, weil Kristin sich nackt hatte fotografieren
     lassen. Dann der Streit zwischen den beiden, an dessen Ende Kristin Walter ihre Schwangerschaft vor die Füße warf wie einen
     Fehdehandschuh und nicht wie ein gemeinsames Glück, und Walter war nicht in der Lage, ihr nachzugehen und sich bei ihr zu
     entschuldigen. Er bat Jan darum, der anschließend mit Kristin durch die Straßen ging. Er folgte ihr zu dem Parkhaus, sie wechselte
     ein paar Worte mit dem Parkwächter, und dann fuhren sie durch New York, und Jan kämpfte gegen die Müdigkeit, den Jetlag, während
     Kristin den Buick durch die nächtlichen Straßen steuerte – und jetzt, vielleicht sechs oder sieben Stunden später, die porzellanene
     Helligkeit um ihn herum   …
    Jan rutscht höher im Sitz. Sein Mund ist ausgetrocknet. »Wieviel Uhr ist es?« Er nimmt die Mineralwasserdose aus der Halterung
     in der Mittelkonsole, sie ist leer und leicht wie ein Tischtennisball.
    |171| Kristin dreht sich zu ihm und sieht ihn an. Ihre Augen liegen tief und erschöpft in den Höhlen, aber ihr Blick enthält eine
     seltsame Entschlossenheit.
    »Halb zehn«, sagt sie und wendet sich wieder dem Highway zu, dem sie seit Stunden folgt, durch die Dunkelheit zuerst, dann
     durch das Morgengrauen.
    Jan versteht, was geschehen ist. Sie hat die Stadt verlassen, lautlos und ohne jemandem ein Wort zu sagen, und sie ist gefahren
     und gefahren, als müsse sie seine Übermüdung nach dem Flug und dem langen Abend nutzen, um ihm nicht nur New York zu zeigen,
     sondern den Kontinent.
    »Hast du noch eine?« fragt Jan und schüttelt die leere Getränkedose.
    »Auf dem Rücksitz.«
    Jan dreht sich herum. In den Polstern liegen ein paar Dosen, Schokoriegel und in Zellophan eingeschlagene Sandwiches. Kristin
     hat irgendwann in der Nacht angehalten und getankt, während er geschlafen hat. Er nimmt eine der Dosen und öffnet sie, kleine
     Wasserperlen sprühen auf seine Hand und glitzern in der Sonne. Er sieht Kristin an. Wie auch immer alles gekommen ist, im
     Ergebnis ist es einfach: Er ist mit ihr unterwegs.
    Der Highway folgt einer weitgezogenen Biegung, scharfe Schatten bewegen sich langsam über Kristins Gesicht. Ihre Züge gefallen
     Jan besser als vor Stunden in der diffusen Stadtatmosphäre. Es kommt ihm vor, als hätten sie hinter der Erschöpfung, die ihr
     Gesicht überschattet, ihre jugendliche Signatur wiedergewonnen, eine hellhäutige Kühle, hinter der sie früher stets ihre Unsicherheit
     verborgen hat. Aber es ist nicht nur das Licht, das ihr Gesicht verändert. Es scheint, als habe sich die Patina von Jahren
     über Nacht gelöst.
    |172| Jan trinkt einen Schluck Wasser und

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