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Amerikanische Reise

Titel: Amerikanische Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Woelk
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tauscht die leere Dose in der Halterung gegen die volle aus. »Hast du mit Walter gesprochen?«
     fragt er.
    Kristin schüttelt den Kopf. »Ich wollte dich nicht wecken.«
    Jan weiß, daß es eine Ausrede ist, aber eine lieb gemeinte. Er stellt fest, daß es ihm egal ist, was Walter denkt.
    Kristin verläßt den Highway und steuert auf den Parkplatz eines Einkaufszentrums, sie steigen aus. Obwohl noch Vormittag,
     ist es bereits heiß. Im Supermarkt dagegen trockene Kühle. Jan kauft ein paar T-Shirts und eine Hose zum Wechseln, dann ein Paar
Reeboks,
die mit blauem Teppich ausgeschlagen sind wie der Buick. An jedem zweiten Produkt hängt ein Schild:
Sale!,
daneben eine Prozentzahl.
»Sale« ,
erklärt Kristin, »heißt soviel wie Sonderangebot.
Sales
gibt es immer. Den
rainy-day-sale,
wenn es regnet, um die Leute vor die Haustür zu locken.«
    Jan erinnert sich, daß sie ihm vor ein paar Stunden beim Kaffeetrinken erklärt hat, was
Donuts
sind. Den Geburtstagskuchen, den sie für ihn gebacken hat, haben sie nicht gegessen. Bis sie wieder in New York sind, wird
     er vertrocknet sein.
    Obwohl sie nicht darüber reden, ist klar, daß sie Kleidung brauchen. Wenigstens für ein paar Tage. Kristin schiebt den Einkaufswagen
     in die Wäscheabteilung. Sie kauft Slips mit zwei Finger breiten Hüftstegen; es fällt Jan auf.
    In der Haushaltsabteilung nimmt sie eine Kunststoffkühlbox aus dem Regal, die sie hinterher in den Kofferraum stellt und mit
     Getränkedosen auffüllt. Sie leert einen Beutel Eiswürfel darüber und klappt den Deckel zu. Nach der Kühle im Supermarkt liegt
     die Hitze wie Quecksilber auf dem Asphalt.
    |173| »Ich brauche noch einen Kaffee«, sagt Kristin. Sie setzen sich in ein Restaurant mit Aussicht auf den Parkplatz. Die fußballfeldgroße
     Asphaltfläche ist höchstens zu einem Drittel ausgelastet. Jan betrachtet die an- und abfahrenden Autos. Er ist mit Kristin
     unterwegs, und es gefällt ihm schon jetzt. Einfach nur dazusitzen und ihr zuzusehen, wie sie ihren Kuchen ißt, erscheint ihm
     wie ein um einen Tag verspätetes Geburtstagsgeschenk.
    Kristin sieht auf und bittet ihn, mit Walter zu telefonieren.
    »Ich?« Jan könnte sich darauf zurückziehen, daß dies nicht seine Sache ist. Kristin überredet ihn mit einem Blick, in dessen
     Erschöpfung sich ein kindliches Vertrauen in seine Fähigkeit mischt, in jeder Situation die Nerven zu behalten, ein Vertrauen,
     das ihm schmeichelt, obwohl ihm nicht klar ist, woher sie den Glauben an seine Souveränität nimmt. Er steht auf und geht zum
     Telefon.
    Walter ist sofort am Apparat, er habe sich Sorgen gemacht, was denn los sei? Jan bleibt tatsächlich ruhig und erklärt ihm,
     daß er nicht mehr in New York ist, sondern knapp zweihundert Kilometer vor Chicago.
    »Chicago?« Walter bringt ein paar Sekunden lang keinen Ton heraus. Für einen
Broker
müßte er abgebrühter sein, denkt Jan.
    »Wieso Chicago?« fragt Walter noch einmal.
    Jan hebt die Schultern, als könne das Telefon auch seine Körpersprache übertragen. Er erklärt Walter, was geschehen ist; daß
     Kristin genug hatte und gegangen ist, aber so sagt er es nicht. Er sagt: »Sie mußte mal raus. Wohl seit langem schon.« Er
     sagt nicht, wie sehr es ihm gefallen hat, neben ihr aufzuwachen.
    Walter hegt gegenüber Jan kein Mißtrauen. Er wird wütend. »Kristin ist verrückt geworden. Die Ausstellung |174| gestern, das war doch lächerlich«, sagt er. Ihm ist klar, daß es keinen Sinn hat, mit Jan über eine schnelle Rückkehr zu feilschen.
     Er sieht Jan als Opfer, nicht als Täter. »Paß auf sie auf und versuch, ihr den Unsinn auszureden«, bittet er ihn. Jan nickt
     das Telefon an, und sie verabschieden sich.
    Kristin steht zwanzig Meter weiter an den Buick gelehnt und wartet. Er wird ihr überhaupt nichts ausreden, denkt Jan. Sie
     erkundigt sich nicht danach, was Walter gesagt hat. Sie hat sich noch einen Kaffee besorgt, den dritten. Der Pappbecher ist
     fast leer. Jan wird bewußt, daß sie übermüdet ist. Aus irgendeinem Grund will sie trotzdem am Steuer bleiben, aber er besteht
     darauf, sie abzulösen, es sei denn, sie suchten sich auf der Stelle ein Hotel – und für einen Moment zieht die Vorstellung
     durch Jans Kopf, daß er sich mit ihr in einem Motelzimmer befindet mit einem billigen Bett, auf dem sie sich lieben.
    Kristin gibt nach und geht um den Wagen herum. Jan setzt sich hinters Steuer, verschiebt den Automatikhebel und läßt den Wagen
     anrollen. Sie nähern sich

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