Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost
meinem Körper gehören und ich müsste nach einer missglückten Transplantation das Bein eines Fremden mit mir herumschleppen.
Miss Foster bringt mich nach unten.
»Sie sollten noch im Krankenhaus sein«, ermahnt sie mich.
»Mir geht es gut. Gibt es noch weitere Tests, die Sie durchführen könnten… an dem Bikini?«
»Was wollen Sie wissen?«
»Keine Ahnung – Spuren von Haarfarbe, Fasern, Chemikalien …«
»Ich kann ihn mir noch mal ansehen.«
»Vielen Dank.«
Jede polizeiliche Ermittlung hat lose Enden. Die meisten sind ohne Belang, wenn man ein Geständnis oder eine Verurteilung bekommt, ein weißes Rauschen im Hintergrund.
Wir haben jeden Bewohner der Dolphin Mansions vernommen. Bis auf Howard hatten alle ein Alibi. Er hätte den genauen Betrag in Mickeys Spardose nicht kennen können – wenn sie es ihm nicht erzählt hat. Sarah hat erklärt, dass sie es nicht wusste. Vielleicht hätte Kirsten ein solches Detail in Erfahrung bringen können.
Ich muss Joe noch einmal treffen. Er hat eine Art zu denken, die vielleicht einen Sinn in all dem erkennt. Zusammenhanglose Einzelheiten fügen sich in seinem Hirn zu einem Ganzen zusammen wie bei einem dieser Bilder, wo es Punkte miteinander zu verbinden gilt. Jedes Kind kann das.
Ich rufe ihn ungern an einem Samstag an. Für die meisten Menschen ist das ein Familientag. Er nimmt ab, bevor der Anrufbeantworter
anspringt. Im Hintergrund höre ich Charlie lachen.
»Haben Sie schon zu Mittag gegessen?«, frage ich.
»Ja.«
»Tatsächlich?«
»Wir haben ein Baby, falls Sie sich erinnern – das heißt, püriertes Gemüse und Essenszeiten wie in der Entbindungsklinik.«
»Würde es Sie stören, mir beim Essen zuzugucken?«
»Nein.«
Wir verabreden uns im Peregrini’s, einem Italiener in Camden Town, wo der Chianti trinkbar ist und der Koch mit Walrossschnäuzer und dröhnendem Tenor das klassische Klischee bedient.
Ich gieße Joe ein Glas Wein ein und gebe ihm die Speisekarte. Er saugt die Umgebung in sich auf und sammelt Informationen, ohne es bewusst zu wollen.
»Wieso haben Sie dieses Lokal ausgesucht?«, fragt er.
»Gefällt es Ihnen nicht?«
»Doch, natürlich.«
»Also, erstens ist das Essen gut, es erinnert mich an die Toskana. Und zweitens kenne ich die Familie. Alberto ist seit den 60er Jahren hier. Da ist er, dort in der Küche. Sind Sie sicher, dass Sie nichts essen wollen?«
»Ich nehme einen Nachtisch.«
Während wir auf das Essen warten, erzähle ich ihm von der DNA-Analyse und dem Bikini. Damit ist offensichtlich, dass es weitere Briefe gegeben haben muss.
»Was hätten Sie damit gemacht?«
»Sie analysieren lassen.«
»Und danach?«
»Sie an einem sicheren Ort deponiert… für den Fall, dass mir etwas zustößt.«
Joe starrt in sein Weinglas und nickt. »Okay, zeigen Sie mir Ihre Brieftasche.« Er streckt eine Hand aus.
»Mich auszurauben lohnt nicht.«
»Geben Sie einfach her.«
Er geht die verschiedenen Fächer durch und zieht Quittungen, Visitenkarten und das Plastik heraus, mit dem ich mein Leben bezahle. »Okay, stellen Sie sich einen Moment lang vor, dass Sie diese Brieftasche auf dem Boden gefunden haben, ohne den Besitzer zu kennen. Was verrät sie über ihn?«
»Er trägt nicht viel Bargeld bei sich.« »Was noch?«
Dies ist eins von Joes psychologischen Spielchen. Er will, dass ich mitspiele. Ich nehme die Quittungen, die beim Trocknen zu einem Packen zusammengeklebt sind. Ich hatte die Brieftasche im Fluss bei mir. Ich löse sie vorsichtig voneinander ab. Einige sind komplett unleserlich, aber mir fallen ein Dutzend Quittungen für Essenslieferungen auf. Am 24. September habe ich eine Pizza bestellt – am Abend, an dem ich angeschossen wurde. Bei seinem Besuch im Krankenhaus hatte Joe mich gefragt, was das Letzte sei, woran ich mich erinnern könne, und ich hatte geantwortet: Pizza.
Ich starre auf den Tisch und bin deprimiert. Mein Leben liegt in einem Haufen vor mir. Visitenkarten von meinen Rugbykumpeln, ein Rabattgutschein von irgendeinem Laden; eine Erinnerung von British Gas, meine Zentralheizung überholen zu lassen; die Quittung für ein Einschreiben; mein Führerschein; ein Foto von Luke…
Es ist ein Schnappschuss auf der Promenade von Blackpool. Wir haben einen Tagesausflug gemacht, und Daj trägt ein Dutzend Unterröcke und Schnürschuhe. Ihre Haare sind unter einem Kopftuch verborgen, und sie sieht den Fotografen grimmig an, weil mein Stiefvater sie aufgefordert hat zu lächeln. Luke hält ihre
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