Amnion 2: Verbotenes Wissen
frei, stieß er sie zurück. Ihre Beine knickten ein; sie sackte rücklings auf die Koje. Während Nick vor ihr stand, atmete er so mühsam, daß es schien, als hätte er Schüttelfrost. Seine Miene sprach von Unbarmherzigkeit.
»Dafür mach ich dich kalt«, verhieß er einige Augenblicke später mit gedämpftem Raunen.
Morn blieb unbeeindruckt. »Ich weiß.«
»Aber ich suche mir ’n passenderen Zeitpunkt aus. Es sei denn, du fällst mir in den Rücken. Dann hätte ich keinen Grund mehr, um zu warten.« Nick atmete nochmals tief ein, ließ dann den Atem langsam entweichen. »Sag mir, wie ich meine Prioritätscodes wiederherstellen kann.«
Morn hielt seinem Blick stand. »Ich will Davies bei mir haben. Er braucht mich.«
»Kommt nicht in Frage«, knurrte Nick sofort. »Er ist das einzige Druckmittel, das ich gegen dich habe. Ich traue dir nicht über den Weg.« Noch einmal patschte seine Hand auf die Tasche der Bordmontur. »Das Ding könnte ’ne Attrappe sein, und vielleicht hast du davon ’n halbes Dutzend im Schiff versteckt.«
Morn schüttelte den Kopf. Ihr war es gleichgültig, was er hinsichtlich des Zonenimplantat-Kontrollgeräts glaubte oder nicht glaubte; plötzlich verspürte sie fürchterliche Sorge um ihren Sohn.
»Nick, hör zu«, sagte sie so ruhig, wie sie es noch zustande brachte. »Wenn er allein ist, könnte er den Verstand verlieren. Vielleicht ist er schon verrückt geworden. Er hat meine Bewußtseinsinhalte… Er hält sich für mich.« Ein zweites Mal verlegte sie sich aufs Bitten. »Laß mich wenigstens mit ihm sprechen.«
»Nein«, erwiderte Nick roh. »Du hast mich angelogen. Du hast mich von dem Augenblick an ständig belogen, in dem ich dich zum erstenmal mit dem scheißverdammten Kaptein Thermogeil gesehen habe. Und ich bin auf alles reingefallen. Ich dachte, du fährst wirklich auf mich ab. Aber du hast mich bloß ausgenutzt. Genau wie alle anderen.« Inzwischen war er so eiskalt wie Morn und ebenso kompromißlos geworden. »Sag mir, wie ich die Prioritätscodes wiederherstellen kann.«
Voller Hoffnung und Verzweiflung verriet Morn es ihm.
Er nickte ein einziges Mal, als geschähe es zum Zeichen der Anerkennung des bei ihrer List angewandten Erfindungsreichtums. Dann entfernte er sich zur Kabinentür.
Als er sie erreichte, drehte er sich noch ein letztes Mal um. In seinen Augen stand ein Ausdruck des Abschieds. Dennoch sprach er unverändert in barschem, bösartigem Tonfall.
»Ich teile dich wieder Mikkas Schicht zu. Aber wenn du keinen Dienst hast, will ich, daß du hier bist. Ich werde dir keinen Ärger machen. Aber sobald ich dafür Zeit erübrigen kann…« – er deutete auf seine Tasche und bleckte die Zähne –, »wollen wir mal sehen, wie’s dir behagt, wenn jemand anderer mit diesem Ding spielt.«
Er ging, und hinter ihm verriegelte sich die Tür.
Morn streckte sich in ihrer Koje aus – wegen der Kopfschmerzen sehr vorsichtig – und bemühte sich, beim Gedanken an das Los ihres Sohns nicht in Geheul auszubrechen.
17
Eine halbe Stunde später läutete der Interkom-Apparat; Mikka Vasaczks Schicht wurde auf die Brücke beordert.
Einen Moment danach blinkte in Morns Kabine am Türschloß – an der Kontrolltafel – ein grünes Lämpchen. Nick hatte die Tür entriegelt.
Morn beeilte sich hinaus in den Korridor, ehe Nick es sich womöglich anders überlegte.
Eigentlich hätte sie das Krankenrevier aufsuchen müssen. Die Beschwerden in ihrem Kopf verebbten viel zu langsam; jeder Herzschlag verursachte ihr im Schädel einen Stich, als ob Blut aus ihrem Hirn schösse. In beunruhigend kurzen Abständen verdoppelte sich ihre Sicht, und die Anstrengungen, die es sie kostete, ihre Augen wieder zu normaler, einfacher Wahrnehmung zu zwingen, trieb ihr den Schweiß aus den Poren und brachte sie aufgrund einer Übelkeit, die ihr irgendwie bekannt vorkam, ins Schlottern. Verkrampfung oder Taubheit riefen in ihren Fingern ein Kribbeln hervor. Vielleicht war einer ihrer Schädelknochen angeknackst. Oder es lag eine Prellung der Schädelbasis vor; oder eine Quetschung des Gehirns. Falls in ihrem Kopf oder an der Wirbelsäule ein Bluterguß entstand, konnte es sein, daß allmählich, indem die Schwellung wuchs, eine Lähmung eintrat.
Trotzdem machte sie sich nicht auf den Weg zum Krankenrevier, sondern zur Brücke.
Es drängte sie zu nichts mehr als dazu, die Hände wieder auf die Tastatur der Datensysteme-Kontrollkonsole zu legen.
Ohne den Rückhalt des
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