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Amnion 2: Verbotenes Wissen

Amnion 2: Verbotenes Wissen

Titel: Amnion 2: Verbotenes Wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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glitschig, rutschten ihre Hände über die Tür.
    Sich abzufangen außerstande, torkelte Morn vorüber und rammte gegenüber mit dem Kopf das Schott. Dort stürzte sie zu Boden.
    Der selbsterzeugte neurale Sturm war zu wüst: Verringerte sie seine Gewalt nicht, mußten ihre Synapsen ausfallen wie überladene Stromunterbrecher. Anscheinend deaktivierte das Verriegeln der Tür die Sensoren der Rückkopplungsschaltkreise. Während sie am Rande eines Schlaganfalls schlotterte, grapschte Morn das schwarze Kästchen und reduzierte die Emissionen des Z-Implantats.
    Ihre Finger hinterließen auf den Tasten Blut.
    Mehr wurde nicht aus ihrem Versuch, der Kabine zu entfliehen.
    Sie beugte sich über ihre aufgeschrammten Hände und fing, ohne es zu merken, zu weinen an. Der Besitz ihres Zonenimplantat-Kontrollgeräts war zuwenig; sie hätte etwas haben müssen, auf das sie hoffen konnte – und da gab es nichts. Manche Grenzen waren absoluter Natur. Gleichgültig was sie mit sich machte, sie vermochte ihren Körper nicht durch eine massive Tür zu bewegen. Flinkheit, Stärke, Konzentration, Schmerzfreiheit – keiner dieser Vorteile war ihr in diesem Fall von Nutzen.
    Der Teil ihrer selbst, der alles durchschaute, hatte etwas anderes geplant gehabt.
    Oder er konnte gegen den Einfluß des Z-Implantats nicht mehr wirksam werden.
    Dennoch hinderte er sie daran, so laut zu weinen, daß man sie durch die Interkom hätte hören können.
    Wieviel Zeit blieb ihr noch? Morn zwinkerte die Tränen fort und warf einen Blick auf das Wandchronometer der Kabine. Keine sechs Stunden mehr. So wenig?
    Irgendwann mußte sie zwei oder drei Stunden übersprungen haben. Aber das bedeutete keinen Unterschied. Sechs Stunden oder sechshundert: Es war einerlei.
    Sie konnte ihre Kabine nicht verlassen.
    Sie konnte nichts tun, um Davies zu helfen. Er war verloren. Wenn sie ihn zum nächstenmal sah – falls sie ihn überhaupt je wiedersah –, würde er ein Amnioni sein. Er könnte sich nicht mehr daran erinnern, wie wichtig sie einmal – kurze Zeit lang – füreinander gewesen waren; es sei denn, man verabreichte ihm dasselbe Mutagen wie Marc Vestabule. Dann wäre er dazu in der Lage, seine Erinnerungen gegen sie zu verwenden, gegen die VMKP und den gesamten Human-Kosmos. Indem sie ihn gebar, hatte sie an ihm und an ihrer ganzen Spezies Verrat begangen; und sie verfügte über keinerlei Aussichten mehr, um dagegen noch irgend etwas zu unternehmen.
    Sie wußte nicht, wie sie das ertragen sollte.
    Aber eines – die Idee durchfuhr sie mit einem Ruck, als hätte sie sich elektrisiert – stand ihr noch frei: Sie konnte Nick töten.
    Er kam bestimmt irgendwann, um nach ihr zu sehen; vielleicht um sie aus der Katatonie zu wecken, in der er sie wähnte. Sie wach und in extremster Gewaltbereitschaft vorzufinden, damit würde er nicht rechnen. Wenn sie schnell und brutal genug zuschlug, gelang es ihr vielleicht, ihn so zu überraschen, daß ihm keine Chance zur Gegenwehr mehr blieb. Sie mußte nur mit dem ersten Hieb richtig treffen…
    Sie brauchte ihm nur die Nagelfeile in die Kehle zu bohren.
    Morn erhob sich, eilte in die Hygienezelle und zog an der Toilette die Nagelfeile heraus.
    Blut klebte an ihren Händen, aber sie schmerzten nicht; ebensowenig tat der geprellte Schädel ihr weh. Ihr Z-Implantat unterdrückte diese Beschwerden. Die Nagelfeile fest in der Hand, kehrte sie zur Tür um und versuchte sich auf weiteres Warten gefaßt zu machen.
    Um Nick zu töten. Um für ihre lange Marter wenigstens diese kleine Vergeltung zu üben.
    Aber sie vermochte sich der Warterei nicht zu unterwerfen; sie empfand es als unmöglich, während sie dermaßen geladen war mit Kraft. Ihre Muskeln und ihr Geist erwiesen sich als zum Stillhalten unfähig. Sie lechzte nach Entscheidungen, Taten, Blutvergießen.
    Ähnlich wie ihre Tür gab diese Ruhelosigkeit ein unüberwindliches Hindernis ab. Sie könnte warten; selbstverständlich könnte sie es. Dafür war nicht mehr als eine neue Adjustierung der Funktionen ihres schwarzen Kästchens erforderlich, sie brauchte nichts anderes zu tun, als sich in einen Zustand der Gelassenheit zurückzuversetzen. Aber falls sie das tat, konnte sie, sobald Nick aufkreuzte, nicht mit der nötigen Schnelligkeit und Härte reagieren. Für ihn mußte sie unbedingt in dieser Verfassung zwanghafter, kaltblütiger Spannung sein: Sie wußte nicht, wann seine Ankunft bevorstand; deshalb mußte sie einfach warten. Aber sie konnte nicht auf ihn warten,

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